Selbstbestimmt leben – ein Schlüssel zu mehr Teilhabe

Barbara Egloff

DOI: https://doi.org/10.57161/z2025-07-00

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 31, 07/2025

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Für viele von uns ist es selbstverständlich, morgens zu entscheiden, was wir anziehen oder was wir essen möchten, wie wir zur Arbeit gehen und wann wir abends nach Hause kommen. Eigenverantwortung und Entscheidungsfreiheit bilden dabei die Basis: Wer selbst entscheiden kann, erlebt Autonomie, trägt Verantwortung für das eigene Leben und wächst daran. Selbstbestimmung ist somit viel mehr als nur ein schönes Ideal, sondern das Fundament für ein erfülltes Leben und eine gerechte Gesellschaft.

Dass Selbstbestimmung eng mit Wohlbefinden verknüpft ist, belegen zahlreiche Studien: Menschen, die ihre Interessen und Wünsche verwirklichen können, erleben mehr Lebenszufriedenheit und Resilienz. Wenn sie ihre eigenen Entscheidungen treffen dürfen – etwa in der Berufswahl oder in der Freizeit –, fühlen sie sich oft selbstbewusster und zufriedener. Wer selbstbestimmt lebt, ist meist auch psychisch stabiler.[1]

Doch wie viel Selbstbestimmung jemand tatsächlich leben kann, hängt oft von äusseren Faktoren ab. Denn Selbstbestimmung ist kein isolierter Akt, sondern stets eingebettet in ethische und moralische Überlegungen: Wo endet die eigene Freiheit, wo beginnt die Verantwortung gegenüber anderen? Gesellschaftliche Normen, institutionelle Rahmenbedingungen oder die Haltung von Fachpersonen haben einen starken Einfluss darauf, wie viel Selbstbestimmung möglich ist. Auch rechtliche Aspekte spielen eine zentrale Rolle. Das Recht auf Selbstbestimmung muss aber nicht nur gesetzlich verankert, sondern auch praktisch umsetzbar sein.

Was könnte man also noch Neues über Selbstbestimmung schreiben? Ist darüber nicht längst alles gesagt? Man könnte es meinen. Doch die anhaltende Auseinandersetzung mit diesem Konzept zeigt, wie aktuell und vielschichtig das Thema weiterhin ist. Diese Ausgabe beleuchtet Selbstbestimmung aus unterschiedlichen Blickwinkeln: von politischer Teilhabe über selbstbestimmtes Wohnen und Freizeitgestaltung bis hin zu innovativen Unterstützungsmodellen wie Supported Decision Making. Die Artikel dieser Ausgabe zeigen eindrücklich, wie viel Potenzial in inklusiven Ansätzen liegt – ob in Hochschulprogrammen, Wohngemeinschaften oder individuellen Entscheidungsprozessen.

Wir alle sind dazu aufgefordert, Barrieren abzubauen und Räume zu schaffen, in denen Erwachsene mit und ohne Behinderungen ihre Lebenswege eigenständig gestalten können. Denn Selbstbestimmung ist kein Privileg, sondern ein Schlüssel zu einer inklusiven, gerechten Gesellschaft.

Dr. phil. Barbara Egloff

Vize-Direktorin

SZH/CSPS

barbara.egloff@szh.ch

  1. Vgl. dazu z. B. Ryan, R. M. & Deci, E. L. (2017). Self-Determination Theory: Basic Psychological Needs in Motivation, Development, and Wellness. The Guilford Press.