Moralische Urteile in unterschiedlichen Kontexten und deren Zusammenhänge mit Verhaltensproblemen
Zusammenfassung
Kinder treffen im Laufe ihres Lebens und insbesondere in der Schule auf zahlreiche moralische Konflikte. In einer Untersuchung wurde erhoben, wie Grundschulkinder moralische Urteile in unterschiedlichen Kontexten fällen – wie bei Provokationen oder Lügen – und welche Zusammenhänge diese mit emotionalen und Verhaltensproblemen haben. Mithilfe einer Clusteranalyse wurden drei moralische Profile identifiziert: Kinder, die moralische Flexibilität zeigten und Provokationen als Rechtfertigung für Regelbrüche akzeptierten; Kinder, die moralische Übertretungen ablehnten; Kinder, die moralische Übertretungen in allen Kontexten rechtfertigten. Die Kinder der ersten zwei Profile wiesen weniger emotionale und Verhaltensprobleme auf als die Kinder des dritten Profils. Die Bedeutung moralischer Flexibilität im Umgang mit herausfordernden moralischen Situationen wird diskutiert.
Résumé
Tout au long de leur vie, et particulièrement à l’école, les enfants sont confrontés à de nombreux conflits moraux. Une étude a analysé la manière dont les enfants de l’école primaire portent des jugements moraux dans divers contextes – comme la provocation ou le mensonge – et les liens entre ces jugements et les troubles émotionnels et comportementaux. Une analyse en clusters a permis d’identifier trois profils moraux : les enfants faisant preuve de flexibilité morale et acceptant la provocation comme justification d’une transgression ; ceux rejetant toute infraction aux règles morales ; et ceux qui les justifient dans tous les contextes. Les enfants des deux premiers groupes présentaient moins de troubles émotionnels et comportementaux que ceux du troisième groupe. L’importance de la flexibilité morale dans la gestion des dilemmes moraux est discutée dans cet article.
Keywords: moralische Entwicklung, moralische Urteile, Verhaltensauffälligkeit, Primarstufe / développement moral, jugements moraux, trouble du comportement, degré primaire
DOI: https://doi.org/10.57161/z2025-03-01
Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 31, 03/2025
Kinder sind im Laufe ihres Lebens mit zahlreichen sozialen Interaktionen und moralischen Konflikten konfrontiert (Lind, 2019). Dabei spielt die Schule eine entscheidende Rolle in der Förderung der Moralentwicklung und der Verankerung moralisch-demokratischen Denkens (Brügelmann, 2020; Lind, 2019), indem dort Einstellungen, Werthaltungen und Wissen über ethische, rechtliche und religiöse Themen vermittelt werden. In der Regel bewerten Kinder in der mittleren Kindheit (Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren) absichtliche Schädigungen und moralische Übertritte im Vergleich zu jüngeren Kindern vermehrt als falsch (Smetana, 2013). In vielen Studien liegt der Fokus auf der allgemeinen Fähigkeit von Kindern, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Es bleibt jedoch weitgehend unerforscht, wie diese moralischen Urteile in verschiedenen sozialen Kontexten – insbesondere unter Bedingungen von Provokation oder sozialen Herausforderungen – getroffen werden und wie diese mit Verhaltensproblemen zusammenhängen. Diese Fragestellung ist von besonderer Bedeutung, da moralische Entscheidungen, die in solchen Kontexten getroffen werden, tiefgreifende Auswirkungen auf die soziale Anpassung und das emotionale Wohlbefinden von Kindern haben können. So können geringe oder auch unrealistisch hohe moralische Ansprüche zu sozialer Isolation, emotionaler Belastung oder Konflikten in Beziehungen führen, während sozial angepasste moralische Ansprüche soziale Stabilität und emotionales Wohlbefinden fördern können (Wilke et al., 2024).
Nach der Theorie der sozialen Domänen erkennen Kinder, dass ihre soziale Welt in verschiedene Domänen unterteilt ist, die jeweils ihre eigenen Regeln und Erwartungen umfassen (Smetana, 2013):
Die Domänen werden als unabhängig voneinander entwickelte Systeme betrachtet und basieren auf den individuellen Erfahrungen des Kindes mit seiner Umwelt (Smetana, 2013; Turiel, 1983). Forschungen im Bereich der sozialen Domänen untersuchen hauptsächlich, ob und wie Kinder zwischen den Domänen differenzieren (ebd.). Kinder bewerten tendenziell Übertretungen in der moralischen Domäne (z. B. jemandem zum eigenen Vorteil schaden) als gravierender im Vergleich zu sozial-konventionellen (z. B. eine gesellschaftliche Konvention brechen, wie Kleiderordnungen missachten) oder persönlichen Übertretungen (z. B. eine private Nachricht einer anderen Person im Unterricht laut vorlesen). Dies geschieht unabhängig von Regeln und Autorität (Smetana, 1981).
Die Absichtszuschreibung spielt in der Entwicklung moralischer Urteile eine entscheidende Rolle (Arsenio & Lemerise, 2004). Kinder mit Tendenzen zu aggressivem Verhalten neigen dazu, in «mehrdeutigen Situationen» negative Absichten oder Provokationen zu sehen (Dodge, 1991). Wie sich Provokationen in Urteilen über moralische Übertretungen auswirken, ist bislang wenig erforscht. Zudem wurden in Studien Verhaltensprobleme mit moralischen Urteilen und Begründungen in Verbindung gebracht: Kinder mit Verhaltensproblemen urteilen häufiger unmoralisch (Malti & Keller, 2009; Shek & Zhu, 2019). Wilke et al. (2024) weisen jedoch darauf hin, dass sich unterschiedliche Profile im Hinblick auf Moral und Verhaltensprobleme ergeben können und die Zusammenhänge nicht immer linear verlaufen. Sie betonen, dass Moral zwar im Allgemeinen als positive Eigenschaft wahrgenommen wird, eine übermässig rigide Moral jedoch zu Schwierigkeiten mit Gleichaltrigen führen kann. Wilke et al. (2024) argumentieren, dass eine moderat ausgeprägte Moral mit geringerem Problemverhalten einhergeht, und plädieren daher für eine flexible Anpassung moralischer Standards. Daher wurden auch in der im Folgenden präsentierten Studie verschiedene Profile von moralischen Urteilen gebildet und mit Verhaltensproblemen in Verbindung gebracht.
Es wurde folgenden Fragestellungen nachgegangen: Welche Profile ergeben sich in Bezug auf moralische Urteile von Grundschulkindern in verschiedenen moralischen Kontexten (Situationen mit körperlichem oder sozialem Schaden sowie Situationen mit Provokationen und Lügen)? Und welche Zusammenhänge zeigen diese Profile mit emotionalen Problemen, Verhaltensproblemen und Problemen mit Gleichaltrigen?
Die Daten für die Studie stammen aus einem längsschnittlichen Dissertationsprojekt zur Untersuchung der moralischen Entwicklung von Grundschulkindern in Deutschland (Wilke, 2024). Die erste Datenerhebung (T1) konzentrierte sich auf Kinder der Klassen eins bis vier (Grundschulkinder) und wurde von November 2022 bis Juni 2023 durchgeführt. Die zweite Datenerhebung (T2) erfolgte jeweils sechs Monate später. Informationsschreiben und Einwilligungserklärungen wurden vor Projektbeginn an die Sorgeberechtigten der Kinder verteilt. Nur Kinder mit schriftlicher Einwilligung der Sorgeberechtigten konnten an der Studie teilnehmen. Insgesamt nahmen NT2 = 189 Kinder (MAlterT2 = 8.48 Jahre, SDT2 = 1.26, 55,0 % Mädchen) und ihre Sorgeberechtigten bis zum zweiten Datenerhebungszeitpunkt an der Studie teil.
Um die moralischen Urteile der Kinder zu erfassen, wurde die für Kinder adaptierte Version des Fragebogens von Koglin und Daseking (2017) zur Messung der Moralentwicklung verwendet (vgl. Wilke, 2024 für Erläuterungen der Adaptionen). Im Fragebogen wurden den Kindern acht moralische Übertretungen bildlich und sprachlich präsentiert. In jeder Bildgeschichte gibt es eine Hauptfigur, die eine moralische Regel bricht. Die Bildgeschichten sind so konzipiert, dass die geschlechtsspezifisch angepassten Figuren auf alltägliche moralische Auseinandersetzungen stossen. Zudem variieren die Schadensformen und Kontexte der moralischen Übertritte systematisch:
Pro Kategorie wurden jeweils zwei Bildgeschichten präsentiert. Nach der Präsentation der jeweiligen Übertretung wurden die Kinder gebeten, einzuschätzen, ob das gezeigte Verhalten richtig (0 Punkte) oder falsch (1 Punkt) war. Es folgt eine Beispielgeschichte (körperlicher Schaden nach einer Provokation):
Sina ist mit Freunden im Park. Sie zeigt ihnen stolz ihre Eintrittskarte für das Fussballspiel ihrer Lieblingsmannschaft am Wochenende. Für die Karte musste sie ein halbes Jahr sparen. Plötzlich reisst Jennifer ihr die Karte aus der Hand. Sie läuft davon und will die Karte in einiger Entfernung zerreissen. Sina fordert Jennifer auf, die Karte zurückzugeben, worauf Jennifer nicht reagiert. Sina weiss, wenn sie Jennifer schubst oder schlägt, um die Karte zurückzubekommen, wird Jennifer verletzt. Wenn sie aber nichts tut, zerreisst Jennifer ihre Karte, für die sie extra gespart hat. Also hat Sina sich dafür entschieden, Jennifer zu schubsen oder zu schlagen. War es richtig von Sina, Jennifer zu schubsen oder zu schlagen? Ja oder Nein?
Emotionale und Verhaltensprobleme sowie Probleme mit Gleichaltrigen wurden zum zweiten Messzeitpunkt T2 mittels des Fragebogens Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ, Goodman, 1997) erfasst. Die Sorgeberechtigten beantworteten Fragen zu emotionalen Problemen (z. B. Hat viele Sorgen; erscheint häufig bedrückt), Verhaltensproblemen (z. B. Hat oft Wutanfälle; ist aufbrausend) und Problemen mit Gleichaltrigen (z. B. Im Allgemeinen bei anderen Kindern beliebt) auf einer Skala von (1) nicht zutreffend bis (3) eindeutig zutreffend.
Mithilfe des Auswertungsprogramms SPSS wurden die Daten analysiert und durch Post-Hoc-Clusteranalysen Profile bestimmt. Die vier Skalen zu den verschiedenen moralischen Urteils-Kontexten (körperlicher Schaden prosozial sowie prohibitiv und sozialer Schaden prosozial sowie prohibitiv) dienten als Cluster-Variablen. Kinder, die gemeinsame Merkmale in diesen Variablen aufwiesen, wurden in demselben Cluster gruppiert.[1]
Die drei identifizierten Profile der Clusteranalyse sind in Abbildung 1 dargestellt. Cluster 1 umfasste 39 Kinder (20,63 %), welche moralische Übertretungen in allen beschriebenen Kontexten mit Ausnahme bei Situationen mit vorheriger Provokation überwiegend als falsch beurteilten. Cluster 2 umfasste 17 Kinder (8,99 %), welche moralische Übertretungen in allen beschriebenen Kontexten überwiegend als richtig beurteilten. Cluster 3 umfasste 121 Kinder (64,02 %), welche moralische Übertretungen in allen beschriebenen Kontexten überwiegend als falsch beurteilten. Aufgrund von fehlenden Werten konnten insgesamt 12 Kinder (6,35%) keinem Cluster zugeordnet werden.
Anschliessend wurden Analysen (ANOVA; Analysis of Variance) durchgeführt, um festzustellen, ob die Clustergruppen zum zweiten Datenerhebungszeitpunkt Unterschiede in den Verhaltensproblemen (emotionale Probleme, Verhaltensprobleme und Probleme mit Gleichaltrigen) aufweisen. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Kinder der Cluster 1 und 2 signifikant in Bezug auf emotionale Probleme (F(2, 36.995) = 3.262, p < .05) und Verhaltensprobleme (F(2, 37.670) = 4.335, p < .05) unterschieden (vgl. Abb. 2). Es zeigten sich keine Unterschiede in Bezug auf Probleme mit Gleichaltrigen (F(2, 36.472) = 2.349, p > .05). Kinder des Clusters 1 zeigten weniger emotionale (M = 1.37, SD = 0.39) und Verhaltensprobleme (M = 1.24, SD = 0.28) als Kinder des Clusters 2 (emotionale Probleme: M = 1.77, SD = 0.59, Verhaltensprobleme: M = 1.66, SD = 0.65).
Ein zentrales Ergebnis ist die Beurteilung der Kinder im Cluster 1. Diese Kinder bewerteten moralische Übertretungen in fast allen Kontexten als falsch, machten jedoch eine Ausnahme: Wenn die moralische Übertretung auf eine Provokation folgte, bewerteten sie den Übertritt als gerechtfertigter («Die anderen haben aber angefangen!»). Kinder des Clusters 1 zeigen eine differenzierte Herangehensweise an moralische Urteile. Sie scheinen eine überwiegend gefestigte moralische Haltung zu haben, die jedoch situativ angepasst wird, wenn eine Provokation vorausgeht. Dies könnte darauf hindeuten, dass diese Kinder moralische Regeln nicht als absolut, sondern als kontextabhängig sehen (Smetana, 2013). Indem die Kinder ein Verhalten als gerecht beziehungsweise als ungerecht beurteilen, je nachdem ob eine Provokation vorliegt oder nicht, zeigt sich eine Form von moralischer Flexibilität. Interessanterweise wiesen diese Kinder die geringsten emotionalen und Verhaltensprobleme auf, was mit der Studie von Wilke et al. (2024) übereinstimmt. Dies legt nahe, dass diese Form der moralischen Anpassung – das Erkennen einer Provokation als legitimen Grund für eine Abweichung von moralischen Normen – nicht mit negativen psychologischen Folgen verbunden ist. Vielmehr könnte diese Flexibilität eine adaptive emotionale Verarbeitung und Konfliktbewältigung fördern. Sie ermöglicht Kindern, ihre Handlungen in einem sozialen Kontext zu rechtfertigen, ohne sich dabei stark schuldig zu fühlen oder an starre moralische Standards zu klammern. Kinder mit dieser flexiblen Ansicht legen ihre Moral vermutlich kontextabhängig aus, um selbstkonsistent zu sein. Selbstkonsistenz bedeutet, dass Individuen moralische Entscheidungen treffen beziehungsweise moralisch handeln, um moralisch integer zu sein. Dieser Prozess kann auch unbewusst stattfinden (Blasi, 1983).
Im Gegensatz dazu wiesen Kinder des Clusters 2, die moralische Übertretungen in fast allen Kontexten als richtig beurteilten, signifikant mehr emotionale und Verhaltensprobleme auf. Diese Kinder könnten Schwierigkeiten haben, moralische Normen zu internalisieren, was zu sozialen und emotionalen Konflikten führen könnte. Ihre Tendenz, moralische Übertretungen zu rechtfertigen, könnte auch auf ein Umfeld hindeuten, welches weniger klare oder inkonsistente moralische Leitlinien bietet, was wiederum die Entwicklung von Verhaltensproblemen begünstigen könnte. Gleichzeitig könnten diese Verhaltensprobleme die Moralvorstellungen der Kinder weiter beeinflussen, sodass sich ein wechselseitiger Prozess ergibt (Arsenio & Lemerise, 2004).
In Cluster 3, das den grössten Anteil der Kinder ausmachte, zeigten sich moralische Urteile, die weitgehend die Norm widerspiegelten. Diese Kinder beurteilten moralische Übertretungen also als falsch. In Bezug auf emotionale und Verhaltensprobleme wiesen sie insgesamt Werte auf, die zwischen denen der Kinder in Cluster 1 und Cluster 2 lagen, ohne signifikante Unterschiede zu beiden Clustern zu zeigen. Dies weist darauf hin, dass Kinder in Cluster 3 weder die Schutzfaktoren von Cluster 1 noch die belastenden Faktoren von Cluster 2 in gleichem Masse teilen. Weiter deutet es darauf hin, dass eine normative moralische Entwicklung zwar eine gewisse Schutzfunktion bietet, jedoch nicht unbedingt vor allen Problemen bewahrt. Cluster 3 repräsentiert das erwartungskonforme Cluster, das heisst Kinder, deren moralische Urteile die Norm widerspiegeln. Entsprechend werden bei diesen Kindern auch keine Verhaltensprobleme erwartet, die in direktem Zusammenhang mit ihrer Moral stehen, beziehungsweise scheinen solche Probleme hier nicht wesentlich zu sein. Dies könnte darauf hindeuten, dass moralische Urteile allein nicht zwingend mit emotionalen und Verhaltensproblemen zusammenhängen. Möglicherweise spielen andere Faktoren, wie beispielsweise soziale Kompetenzen, Selbstregulation oder Umweltbedingungen, eine grössere Rolle in der Entwicklung emotionaler und Verhaltensprobleme. Dieses Ergebnis verdeutlicht die Komplexität des Zusammenhangs zwischen moralischer Entwicklung und Verhaltensproblemen. Zudem ist denkbar, dass Cluster 1 und Cluster 3 einander sehr nahe sind und dass bestimmte Ausnahmen in moralischen Urteilen, wie sie bei Cluster 1 zu beobachten sind (z. B. das Akzeptieren provozierter moralischer Übertretungen), weiterhin im Einklang mit normativen moralischen Vorstellungen stehen. Dies könnte erklären, warum die Kinder in diesen Clustern hinsichtlich emotionaler und Verhaltensprobleme ähnliche Ergebnisse zeigen. Die fehlenden Unterschiede zwischen Cluster 3 und Cluster 2 könnten darauf hinweisen, dass moralische Urteile allein nicht der einzige Faktor sind, der emotionale und Verhaltensprobleme beeinflusst. Kinder aus Cluster 2 könnten trotz ihrer tendenziell problematischen moralischen Urteile von schützenden Umweltfaktoren profitieren, wie etwa einer unterstützenden sozialen Umgebung oder einer positiven Beziehung zu Bezugspersonen, die negativen Entwicklungen entgegenwirken.
Die Ergebnisse der Studie bieten praktische Implikationen für die Förderung und Unterstützung von Kindern in den drei Clustern. Kinder im Cluster 1 zeigen moralische Flexibilität, indem sie Provokationen als legitimen Grund für Abweichungen von moralischen Normen anerkennen. Obwohl diese Flexibilität mit geringen emotionalen und Verhaltensproblemen verbunden ist, wirft sie Fragen auf, ob und inwieweit diese Haltung langfristig hilfreich ist. Es könnte sinnvoll sein, mit den Kindern über die Grenzen von Provokationen als Rechtfertigung moralischer Übertretungen zu sprechen und ihnen zu helfen, differenzierte moralische Bewertungen vorzunehmen. Bei Kindern des Clusters 2 ist die Förderung der Internalisierung moralischer Standards ein zentraler Ansatzpunkt. Ein konsistentes moralisches Umfeld, das klare Werte und Leitlinien vermittelt, kann hierbei unterstützend wirken. Kinder in Cluster 3 scheinen eine normative moralische Entwicklung aufzuweisen, die nicht mit spezifischen Verhaltensproblemen einhergeht. Dennoch könnte die Anwendung moralischer Werte in unterschiedlichen sozialen und auch komplexeren Kontexten gefördert werden, um sicherzustellen, dass die Kinder ihre positive Entwicklung langfristig aufrechterhalten.
Jessica Wilke Wissenschaftliche Mitarbeiterin Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik jessica.wilke@uol.de |
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Wilke, J., Eilts, J., Bäker, N. & Goagoses, N. (2024). Morality in Moderation: Profiles of Moral Self and Behavioral Problems Among Children. Deviant Behavior, 1–15. https://doi.org/10.1080/01639625.2024.2310126
Es wurde eine Kombination aus hierarchischen und nicht-hierarchischen Clustering-Techniken verwendet. Die hierarchische Ward’s Linkage Methode wurde verwendet, um die Anzahl der Cluster zu bestimmen (Govender & Sivakumar, 2020), welche auf eine Drei-Cluster-Lösung hindeutete. Für die Clusteroptimierung wurde die nicht-hierarchische k-Means-Methode mit k = 3 Clustern angewendet, wobei jedes Kind dem Cluster mit dem nächstgelegenen Mittelwert zugewiesen wurde. ↑