Chancengleichheit durch Elterntrainings?

Analysen zur Erreichbarkeit von Eltern für einen Elternabend zum Thema Lernbegleitung

Edith Niederbacher und Caroline Villiger

Zusammenfassung
Im Beitrag wird der Frage nachgegangen, inwiefern ein Elternabend mit einem Elterntraining zum Thema Lernbegleitung zur Chancengleichheit beitragen kann. Im Fokus steht die Frage, welche Elterngruppen (in Bezug auf die Merkmale Geschlecht, Geburtsland, Muttersprache, Bildungsabschluss, Kind mit sonderpädagogischen Massnahmen, Zeit- und Energieressourcen) für einen Elternabend gewonnen werden konnten. Die Ergebnisse zeigen, dass mehrheitlich alle Elterngruppen erreicht werden konnten. Väter sowie im Ausland geborene Erziehungsberechtigte waren jedoch signifikant weniger vertreten. Zudem zeigte sich, dass die Teilnahme der Eltern insbesondere mit deren Zeit- und Energieressourcen zusammenhängt.

Résumé
Cet article examine dans quelle mesure une soirée à destination des parents, comprenant une formation sur le thème de l'accompagnement aux apprentissages, peut contribuer à l'égalité des chances. L'accent est mis sur la question de savoir quels groupes de parents (en fonction du sexe, du pays de naissance, de la langue maternelle, du niveau de formation, de l'enfant bénéficiant de mesures pédagogiques spécialisées et des ressources en temps et en énergie) ont pu être convaincus de participer à une telle soirée. Les résultats montrent que la plupart des catégories de parents ont pu être touchés. Les pères et les parents nés à l'étranger étaient toutefois significativement moins représentés. En outre, il s'est avéré que la participation des parents était particulièrement liée à leurs disponibilités en termes de temps et d'énergie.

Keywords: Chancengleichheit, Lernen, elterliche Lernbegleitung, Elternbildung, Erreichbarkeit / égalité des chances, acquisition de connaissances, l'accompagnement parental à l'apprentissage, éducation des parents, atteignabilité

DOI: https://doi.org/10.57161/z2024-07-05

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 30, 07/2024

Creative Common BY

Elterliche Lernbegleitung und Chancenungleichheit

Die Rolle von elterlichen Überzeugungen und Handlungen in der Lernbegleitung

Zahlreiche nationale und internationale Studien bestätigen den starken Zusammenhang zwischen familiären Herkunftsmerkmalen und Leistungen von Schüler:innen (z. B. OECD, 2023). Die familiäre Herkunft hat unter anderem einen Einfluss auf die elterliche Lernbegleitung zuhause (z. B. Unterstützung bei Hausaufgaben, gemeinsames Lernen). Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass sich verschiedene Formen von elterlichen Überzeugungen und Handlungen bei der Lernbegleitung unterschiedlich auf die Leistungsentwicklung der Kinder auswirken. So haben beispielsweise die elterliche Überzeugung, dass sich Fähigkeiten durch Anstrengung weiterentwickeln können (Growth Mindset; Matthes & Stöger, 2018) oder autonomieunterstützende Handlungen (z. B. Hinweise der Eltern bei der Lösungssuche, die die Antwort nicht vorwegnehmen; Lerner & Grolnick, 2022) positive Effekte auf Leistung und Motivation der Kinder. Negativ wirken sich hingegen starre Überzeugungen zu Talent (Fixed Mindset; Matthes & Stöger, 2018) oder Kontrolle und Einmischung der Eltern aus (Dumont et al., 2012).

Unterschiede in der Lernbegleitung je nach Elternmerkmalen

Die investierte Zeit und die Qualität der elterlichen Lernbegleitung hängen von vielen Faktoren ab. Eine Rolle spielen neben kindbezogenen Merkmalen (z. B. frühere Schulleistungen, Motivation, Prokrastination) auch Elternmerkmale (z. B. sozialer Status, Migrationshintergrund, Sprachkenntnisse, Zeit- und Energieressourcen). Der Forschungsstand ist jedoch uneinheitlich. Dumont et al. (2012) fanden heraus, dass ein elterlicher Migrationshintergrund und ein niedrigerer Bildungsstatus mit einer geringeren Unterstützung bei den Hausaufgaben einhergingen. Die Qualität dieser Unterstützung hing jedoch nicht mit dem sozioökonomischen Status zusammen (Dumont et al., 2014). Cooper et al. (2000) zeigten, dass ein niedriger sozioökonomischer Status mit weniger autonomieunterstützendem Verhalten und mit mehr Einmischung in der Lernbegleitung zusammenhing. Insgesamt deuten die Befunde darauf hin, dass die unterschiedliche Lernbegleitung zuhause die ungleichen Bildungschancen der Kinder verstärkt (Dumont et al., 2012).

Elterntrainings als Schlüssel zur Herstellung von mehr Chancengleichheit?

Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse scheint es sinnvoll, insbesondere Eltern mit den entsprechenden (Herkunfts-) Merkmalen und/oder ungünstigem Unterstützungsverhalten dafür zu sensibilisieren, welche Art der Lernbegleitung sich positiv auf Leistung und Motivation ihrer Kinder auswirkt. Dies kann durch Elterntrainings, beispielsweise als Angebot für Eltern einer Schulklasse, erreicht werden (Villiger et al., 2010). Studien zeigen jedoch, dass vor allem Eltern mit höherem Bildungsniveau und ohne Migrationshintergrund solche Angebote nutzen (Bauer & Bittlingmayer, 2005; Fischer & Gorges, 2023), was die Chancenungleichheit weiter verstärkt. Um dies zu verhindern, sind niederschwellige Angebote wichtig, von denen sich alle Eltern gleichermassen angesprochen fühlen. Somit würden auch Eltern mit (Herkunfts-)Merkmalen erreicht, die gemäss den zitierten Studien tendenziell eher ungünstigere Überzeugungen/Handlungen der Lernbegleitung zeigen. Die Eltern würden damit unterstützt, ihre Überzeugungen und Handlungen in eine lern- und entwicklungsförderliche Richtung zu verändern. Dadurch könnten alle Kinder – ungeachtet ihrer familiären Herkunft – von einer förderlichen Lernbegleitung zuhause profitieren.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde im Rahmen des Forschungsprojekts SEGEL ein solch niederschwelliges Angebot durchgeführt. Im Folgenden wird der Elternabend vorgestellt und analysiert, ob sich teilnehmende und nicht-teilnehmende Eltern hinsichtlich ihrer Herkunftsmerkmale unterscheiden. Zudem wird untersucht, ob sonderpädagogischer Förderbedarf aufseiten des Kindes sowie die Zeit- und Energieressourcen der Eltern mit der Teilnahme am Elterntraining zusammenhängen.

Der SEGEL-Elternabend

Interventionsprojekt SEGEL

Das Interventionsprojekt SEGEL («Selbstgesteuertes Lernen fördern») wurde im Schuljahr 2021/22 unter der Leitung von Caroline Villiger, PHBern, durchgeführt. Es nahmen 40 Schulklassen (5./6. Klasse) aus den Kantonen Bern und Fribourg teil (davon 27 in der Interventionsgruppe mit Training). Ziel des Projekts war die Förderung des selbstregulierten Lernens bei den Kindern. Der Hauptteil der Förderung fand im Unterricht durch die Lehrpersonen statt. In einem zehnwöchigen Trainingsprogramm erlernten die Schüler:innen im Unterricht verschiedene Strategien zum selbstregulierten Lernen. Vor und nach dem Training füllten Schüler:innen, Lehrpersonen und Eltern zudem einen Fragebogen aus. Von den 27 Klassen der Interventionsgruppe wurden 14 Klassen randomisiert (zufällig) ausgewählt und die Eltern zu einem kostenlosen Elternabend eingeladen. Ziel des Elternabends war es, die Eltern mit wichtigen Forschungsbefunden zur elterlichen Lernbegleitung vertraut zu machen und ihnen konkrete Hinweise zu geben, wie sie das selbstregulierte Lernen ihrer Kinder zuhause unterstützen können.

Einladung der Eltern

Die schriftliche Einladung zum Elternabend erfolgte auf Deutsch. Sie war kurz und attraktiv formuliert, um den Mehrwert des Elternabends hervorzuheben (Unterstützungsmöglichkeiten für das eigene Kind kennenlernen). Der Anlass wurde bewusst als «Elternabend» bezeichnet, da dies ein etabliertes Gefäss ist, welches die Eltern kennen und welches eine gewisse Verbindlichkeit hat. Das Projektteam legte grossen Wert darauf, die Lehrperson einzubinden. Daher unterschrieben sowohl die Projektleiterin als auch die Lehrperson den Einladungsbrief, um die Wichtigkeit der Teilnahme am Elternabend zu betonen. Die Lehrperson gab den Brief den Kindern mit nach Hause. Viele Lehrpersonen erinnerten die Eltern vor dem Elternabend durch Nachrichten oder persönliche Gespräche an den Termin.

Inhalte des Elternabends

Der Anlass fand zwischen Oktober und November 2021 an zwölf Schulen statt. Er wurde im Rahmen eines klassischen Elternabends durchgeführt (Anwesenheit der Eltern einer Schulklasse, ohne Kinder), mit Ausnahme von zwei Schulen, an denen der Anlass klassenübergreifend stattfand.

Der Elternabend richtete sich inhaltlich ausschliesslich auf das Thema des selbstregulierten Lernens und enthielt keine organisatorischen Elemente zur Schul- und Unterrichtsplanung. Er begann mit einer kurzen Information zur Intervention im Unterricht (SEGEL-Training) und zur Bedeutung des selbstregulierten Lernens für den Lernerfolg. Anschliessend wurden die Unterstützungsmöglichkeiten zuhause anhand von drei möglichen Ansatzpunkten thematisiert: elterliche Einstellungen, Organisation der Lernumgebung, elterliches Verhalten.

Die Eltern setzten sich mit eigenen Überzeugungen und Verhaltensweisen auseinander und lernten Ansätze für lernförderliche Unterstützung kennen (z. B. Umgang mit Misserfolg, Tao et al., 2022; Autonomieunterstützung und Strukturgebung, Wild et al., 2006). Dazu schauten sich die Eltern Videosequenzen an mit ungünstigen und lernförderlichen Verhaltensweisen von Eltern (Villiger et al., 2010). Sie analysierten und diskutierten diese in Kleingruppen sowie im Plenum. Die Eltern erhielten ein Handout zur Unterstützung bei der Umsetzung der Inhalte zuhause. Der Anlass wurde von zwei Mitgliedern des Projektteams durchgeführt und dauerte rund 1,5 Stunden.

Empirische Befunde

Teilnehmende des Elternabends: Wer konnte erreicht werden?

Im Folgenden wird erläutert, welche Eltern für die Teilnahme am Elternabend erreicht wurden; dies in Bezug auf verschiedene strukturelle Merkmale (Geschlecht, Bildungsabschluss, Geburtsland, Muttersprache) sowie hinsichtlich sonderpädagogischer Massnahmen der Kinder und Zeit- und Energieressourcen der Eltern.

Die Gesamtstichprobe der SEGEL-Studie umfasste 757 Kinder und ihre Eltern respektive Erziehungsberechtigten. Davon waren 252 Kinder beziehungsweise Eltern der Interventionsgruppe mit Elterntraining zugeteilt. Einige Wochen vor dem Elternabend haben beide Personengruppen (Kinder, Eltern) einen Fragebogen beantwortet (erster Messzeitpunkt). 171 Elternteile/Erziehungsberechtigte nahmen am Elternabend teil, dies entspricht 157 Familien (bei 14 Kindern kamen 2 Erziehungsberechtigte). Von den 157 Erziehungsberechtigten (pro Kind) hatten 147 den Elternfragebogen ausgefüllt (93,6 %). Die restlichen 95 Erziehungsberechtigten haben sich entweder vorgängig vom Elternabend abgemeldet oder sind nicht erschienen, haben jedoch den Elternfragebogen ausgefüllt (N = 89, 93,7 %). Der Fokus liegt nun auf dem Vergleich der teilnehmenden und nicht-teilnehmenden Eltern.

Tabelle 1: Deskriptive Angaben zur Stichprobe (Interventionsgruppe «Elternabend») und Gruppenunterschiede in der Teilnahme

Anwesenheit Elternabend

ja
(N = 157, 62,3 %)

nein
(N = 95, 37,7 %)

fehlende
Angaben

Ergebnis

χ2-Test

Geschlecht

weiblich

männlich

N = 113 (77,4 %)

N = 33 (22,6 %)

N = 53 (60,9 %)

N = 34 (39,1 %)

N = 19

p < .01

Bildungsabschluss

kein Schulabschluss / Abschluss obligatorische Schule

Berufslehre / Berufsschul-Abschluss

Berufsmatura / Gymnasiale Matura

Höhere Fach-/ Berufsausbildung (z. B. eidg. Fachausweis)

Abschluss an einer Universität oder Fachhochschule

N = 9 (6,3 %)

N = 57 (39,9 %)

N = 10 (7,0 %)

N = 27 (18,9 %)

N = 40 (28,0 %)

N = 12 (13,8 %)

N = 29 (33,3 %)

N = 1 (1,1 %)

N = 20 (23,0 %)

N = 25 (28,7 %)

N = 22

n. s.

Geburtsland

in der Schweiz geboren

im Ausland geboren

N = 114 (78,1 %)

N = 32 (21,9 %)

N = 58 (65,9 %)

N = 30 (34,1 %)

N = 18

p < .05

Muttersprache

Schweizerdeutsch / Hochdeutsch

andere Muttersprache

N = 107 (72,8 %)

N = 40 (27,2 %)

N = 63 (71,6 %)

N = 25 (28,4 %)

N = 17

n. s.

Sonderpädagogische Massnahmen

Kind mit sonderpädagogischen Massnahmen

Kind ohne sonderpädagogische Massnahmen

N = 24 (15,3 %)

N = 133 (84,7 %)

N = 7 (7,4 %)

N = 88 (92,6 %)

N = 0

n. s.

Anmerkung: N = Anzahl Personen, n. s. = nicht signifikant

In Tabelle 1 sind die Häufigkeiten der verschiedenen Subgruppen nach Teilnahmestatus aufgeführt. Unterschiede in der Teilnahme am Elternabend hinsichtlich der Merkmale wurden mittels Chi-Quadrat-Tests überprüft. Die Ergebnisse zeigten signifikante Unterschiede bei den Merkmalen Geschlecht und Geburtsland. Väter waren somit am Elternabend signifikant weniger vertreten als Mütter. Ausserdem nahmen Eltern, die nicht in der Schweiz geboren wurden, seltener teil. Hinsichtlich des Bildungshintergrunds sowie der Muttersprache zeigten sich keine Unterschiede. Es kann somit geschlussfolgert werden, dass Eltern niedrigerer Sozialschichten gleichermassen für den Elternabend erreicht werden konnten wie solche höherer Sozialschichten; ebenso Personen mit nicht-deutscher Muttersprache.

In einem weiteren Schritt wurde die Subgruppe von Eltern, deren Kinder sonderpädagogische Massnahmen erhielten, näher untersucht. Von den 757 Kindern der Gesamtstichprobe hatten zum Zeitpunkt der Datenerhebung 11,6 % der Kinder (N = 88) eine oder mehrere der folgenden sonderpädagogischen Massnahmen (gemäss Information der Lehrpersonen): Integrative Förderung (N = 49), Nachteilsausgleich (N = 29), Individuelle Lernziele (N = 13), Deutsch als Zweitsprache (N = 15) und Logopädie (N = 15). Ein Kind hatte Sonderschulstatus (N = 1). Insgesamt 60 Kinder erhielten eine Massnahme, 22 Kinder zwei und 6 Kinder drei Massnahmen. Weitere sonderpädagogische Massnahmen (z. B. Psychomotorik, Begabtenförderung) sowie Kinder in Abklärung wurden nicht erfasst.

Von den 88 Kindern mit sonderpädagogischen Massnahmen aus der Gesamtstichprobe waren 31 in der Interventionsgruppe, deren Eltern zum Elternabend eingeladen waren. Von diesen 31 Elternteilen kamen 24 zum Elternabend (77,4 %). Der Chi-Quadrat-Test war nicht signifikant. Das heisst, die Anwesenheit am Elternabend war unabhängig davon, ob das Kind sonderpädagogische Massnahmen erhielt oder nicht.

Da frühere Studien zeigten, dass die elterliche Zeit und Energie eine zentrale Rolle bei der Lernbegleitung sowie bei der Teilnahme an Elterntrainings spielen, wurde diese Variable in der Studie erhoben. Die Eltern schätzten ihre Zeit- und Energieressourcen anhand von vier Items ein (z. B. «Ich finde genügend Zeit, mit meinem Kind über den Schulalltag zu sprechen.»; Yotyodying, 2012; 4-stufige Likert-Skala von 1 «stimme nicht zu» zu 4 «stimme zu»).

Tabelle 2: Deskriptive Statistiken zu elterlichen Zeit- und Energieressourcen und Gruppenunterschied nach Teilnahmestatus

Anwesenheit Elternabend

N

M

SD

Ergebnis
T-Test

Zeit- und Energieressourcen t1

ja

147

3,33

0,52

p < .05

nein

89

3,19

0,55

Anmerkung: t1 = erster Messzeitpunkt, N = Anzahl beantwortende Person, M = Mittelwert, SD = Standardabweichung

In Tabelle 2 sind die Mittelwerte der Skala «Zeit- und Energieressourcen» der Eltern dargestellt. Das Ergebnis eines T-Tests zeigte einen signifikanten Unterschied in der Ausprägung der Mittelwerte: Eltern, die am Elternabend teilnahmen, berichteten über höhere Zeit- und Energieressourcen als diejenigen, die nicht teilnahmen.

Evaluation des Elternabends aus Sicht der Teilnehmenden

Am Ende des Elternabends füllten die Teilnehmenden einen kurzen Evaluationsfragebogen aus. Darin schätzten sie verschiedene Aussagen ein auf einer Skala von 1 «stimmt gar nicht» bis 4 «stimmt genau». Die Einschätzungen der Eltern zeigen, dass sie am Elternabend tendenziell Neues erfahren haben (Itemlaut: «Ich habe an diesem Elternabend Neues erfahren», M = 3,08, SD = 0,72, N = 169, Min = 1, Max = 4). Ausserdem gaben die Eltern an, dass sie durch die neu erworbenen Inhalte ihr Kind besser unterstützen können (Itemlaut: «Die Inhalte des Elternabends helfen mir, mein Kind beim Lernen noch besser zu unterstützen», M = 3,28, SD = 0,65, N = 170, Min = 1, Max = 4). Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass der Elternabend mit den thematisierten Inhalten zur Lernbegleitung von den Eltern positiv eingeschätzt wurde.

Schlussfolgerungen

In diesem Artikel wurde untersucht, mit welchen elterlichen Merkmalen die Teilnahme am SEGEL-Elternabend zusammenhing. Die Ergebnisse zeigen, dass fast alle Eltern gleichermassen erreicht werden konnten, mit Ausnahme von Vätern und im Ausland geborenen Personen. Eltern von Kindern mit sonderpädagogischen Massnahmen wiesen keine Unterschiede im Teilnahmeverhalten auf. Obschon man vermuten könnte, dass diese Eltern ein besonderes Interesse an solchen Angeboten haben könnten, weil sie sich bei der Lernbegleitung oft überfordert fühlen (Fritzler, 2022), war diese Elterngruppe nicht überdurchschnittlich vertreten. Ein Grund könnte sein, dass diese Eltern bereits von heilpädagogischen Fachkräften beraten werden. Eltern mit wenig Zeit- und Energieressourcen nahmen seltener teil. Diese Eltern zu erreichen, bleibt demnach weiterhin eine Herausforderung. Allenfalls wären hier zeitlich angepasste oder frei buchbare (Online-)Angebote eine mögliche Lösung.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein kostenloses, niederschwelliges Angebot in einem vertrauten Kontext (Klassenzimmer, bekannte Eltern, Anwesenheit der Klassenlehrperson, abends) viele Eltern erreicht. Zentral war zudem die Unterstützung der Lehrperson, welche den Einladungsbrief mitunterschrieb und in der Kommunikation mit den Eltern den Mehrwert der Teilnahme betonte.

Die Bedeutsamkeit der Zeit- und Energieressourcen der Eltern bei der Teilnahme zeigt, dass derartige Angebote zeitökonomisch gestaltet sein sollten. Da der Elternabend in der durchgeführten Form bereits wenig zeitintensiv war (einmaliger Anlass von 1,5 Stunden), sollten zukünftige Trainings wichtige Inhalte ebenfalls zeitsparend und gut verständlich anhand von wirksamen Mitteln (bspw. aktive Auseinandersetzung mit Videoausschnitten und Diskussionen) thematisieren.

Die Befunde deuten darauf hin, dass Elterntrainings über unterschiedliche soziale Schichten hinweg Eltern gleichermassen ansprechen und so zu mehr Chancengleichheit beitragen können. Zur Herstellung von Chancengleichheit sind insbesondere auch die vermittelten Inhalte entscheidend (Fischer & Gorges, 2023). Der Fokus auf selbstorganisiertes Lernen der Kinder erscheint somit sinnvoll, da nicht alle Eltern an Schulanlässen teilnehmen oder bei komplexen Aufgaben unterstützen können. Die meisten Eltern können jedoch mit ihren Kindern über die Schule und ihr Lernen sprechen und Hilfe anbieten, die die Autonomie der Kinder unterstützt (Grolnick & Pomerantz, 2022). Es ist daher zentral, in Elterntrainings konkrete Handlungsmöglichkeiten zur Lernbegleitung zu vermitteln, die alle Eltern umsetzen können und die nachweislich das Lernen der Kinder positiv beeinflussen.

Dr. Edith Niederbacher

Dozentin

PHBern

edith.niederbacher@phbern.ch

Prof. Dr. Caroline Villiger

Schwerpunktleitung

Familie – Bildung – Schule

PHBern

caroline.villiger@phbern.ch

Literatur

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Grolnick, W. S. & Pomerantz, E. M. (2022). Should parents be involved in their children’s schooling? Theory Into Practice, 61 (3), 325–335.

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Matthes, B. & Stöger, H. (2018). Influence of parents’ implicit theories about ability on parents’ learning-related behaviors, children’s implicit theories, and children’s academic achievement. Contemporary Educational Psychology, 54, 271–280. https://doi.org/10.1016/j.cedpsych.2018.07.001

OECD (2023). PISA 2022 Results (Volume I): The State of Learning and Equity in Education. PISA, OECD Publishing.

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