Professionalisierung im Dienste der schulischen Inklusion und der gesellschaftlichen Partizipation

Romain Lanners

DOI: https://doi.org/10.57161/z2024-05-00

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 30, 05/2024

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Die letzten vier Wochen standen im Zeichen der nationalen Aktionstage «Zukunft Inklusion». Die Schweiz feierte damit das 10-Jahre-Jubiläum ihres Beitritts zur Behindertenrechtskonvention (BRK) und das 20-jährige Bestehen des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG). Während des Aktionsmonats fanden in allen Kantonen zusammen über tausend Veranstaltungen statt zu den Themen Gleichstellung, Partizipation und Zugänglichkeit.

In vielen Veranstaltungen wurde über integrative und inklusive Bildung diskutiert. In diesem Austausch ist das klassische «Henne-Ei-Dilemma» der Pädagogik hier und da aufgepoppt: Wer war zuerst da, die Schule oder die Gesellschaft? Übertragen auf die Inklusionsdebatte heisst dies: Braucht es zuerst eine inklusive Gesellschaft, damit Schulen inklusiv werden können, oder sind inklusive Schulen doch der Motor für eine inklusive Gesellschaft? Die Antwort ist sicher, dass es beides gleichzeitig braucht und dass eine Schule für alle ein gangbarer Lösungsweg ist. Eine Schule für alle bedeutet, dass alle Schüler:innen die Schule ihres Wohnquartiers zusammen mit ihren Geschwistern und Nachbarskindern besuchen und dort vor Ort eine Antwort auf ihre Bildungsbedürfnisse erhalten (vgl. Faktenblatt zur schulischen Integration in der Schweiz). Eine Schule für alle heisst im Umkehrschluss nicht eine Schulklasse für alle, sondern differenzierte Angebote, ob individuell oder in kleinen Gruppen, innerhalb oder ausserhalb der Regelklasse, sei es für eine Hochbegabung, eine Lernschwierigkeit, eine Fremdsprachigkeit, ein schwieriges Verhalten, eine Behinderung oder eine Beeinträchtigung. Der Umgang mit einer gelebten Heterogenität in der obligatorischen Schulzeit ist eine wichtige überfachliche Kompetenz. Diese unterstützt das Zusammenleben in der heterogenen Gesellschaft, in der wir heute leben.

Unser historisch gewachsenes Zwei-Säulen-System, mit den getrennten Silos Regel- und Sonderschule, blockiert die Bildungsgerechtigkeit in unseren Schulen. Es braucht darum eine engere Zusammenarbeit zwischen den Regellehrpersonen und den sonderpädagogischen Fachleuten, damit sich das sonderpädagogische Wissen und die sonderpädagogische Kompetenz in der Regelschule vermehren können. Diese verstärkte Zusammenarbeit wird uns in den nächsten Jahren nicht nur fordern, sondern uns helfen, unsere Schule miteinander «neu» zu gestalten. Die Salamanca-Erklärung der UNESCO hat diese Wandlung vor 30 Jahren angeregt. Wir sind alle gefordert, in unserem Kompetenzbereich einen Schritt zu tun und nicht abzuwarten, bis die anderen den ersten Schritt wagen. Die Professionalisierung, unter anderem die Aus- und Weiterbildung des ganzen Schulpersonals im Sinne einer inklusiven oder universellen Pädagogik, ist ein wichtiges Zünglein an der Waage. Sie hat das Potenzial, eine Schule für alle zu unterstützen oder eben die Separation zu stärken.

Eine professionalisierte Schule für alle dürfte also ein effizienter Baustein sein für eine gesellschaftliche Partizipation aller.

Dr. phil. Romain Lanners

Direktor

SZH/CSPS

romain.lanners@szh.ch