Überlegungen und erste Erfahrungen zum neuen, leistungsbereichsübergreifenden Studienkonzept an der PH Luzern
Zusammenfassung
An der PH Luzern wurden die verschiedenen heilpädagogischen Aus- und Weiterbildungsangebote systematisch aufeinander abgestimmt. Ziel ist es, professionelle Standards zu sichern, die Zusammenarbeit im Feld zu erleichtern, flexible Studienübergänge zu ermöglichen und so auch den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Kern dieser systematischen Abstimmung bildet ein gemeinsames Kerncurriculum, der sogenannte «Nukleus». Erste Erfahrungen deuten darauf hin, dass das entwickelte Konzept das lebenslange Lernen und damit eine höhere Professionalität des Personals in Schulischer Heilpädagogik unterstützt.
Résumé
Les différentes offres de formation initiale et continue en pédagogie spécialisée à la HEP de Lucerne ont été systématiquement harmonisées entre elles. L'objectif est de garantir des standards sur le plan professionnel, de faciliter la collaboration sur le terrain, de permettre des changements de cursus sans heurts et de pallier ainsi la pénurie de personnel qualifié. Un curriculum de base commun, appelé « Nukleus », constitue le noyau de cette harmonisation. Les premières expériences indiquent que le concept développé soutient l'apprentissage tout au long de la vie et donc un plus grand professionnalisme du personnel de l'enseignement spécialisé.
Keywords: Schulische Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Inklusion, Kooperation, Ausbildung, Weiterbildung, Curriculum, Hochschule / enseignement spécialisé, pédagogie spécialisée, inclusion, coopération, formation, formation continue, programme d'études, Haute école
DOI: https://doi.org/10.57161/z2024-05-01
Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 30, 05/2024
In Luzern bestehen seit dem Jahr 1958 heilpädagogische Aus- und Weiterbildungsangebote (Sturny-Bosshart, 2023): zunächst in Form von Ausbildungskursen für Hilfs- und Sonderschullehrpersonen, ab 1986 als berufsbegleitende Ausbildung und seit 2007 als Teil des Ausbildungsangebots der Pädagogischen Hochschule Luzern (PH Luzern).
Seitdem wurde das Angebot an heilpädagogischen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten schrittweise ausgebaut, sodass heute drei Studienangebote bestehen, welche einen umfangreichen Kompetenzaufbau im Bereich der Schulischen Heilpädagogik ermöglichen und unterschiedliche Zielgruppen ansprechen (vgl. Abb. 1):
Alle drei Studienangebote zielen also darauf ab, umfangreiche Kompetenzen im Bereich der integrativen Förderung aufzubauen. Sie richten sich an unterschiedliche Zielgruppen und verfolgen über diesen gemeinsamen Kompetenzbereich hinaus je unterschiedliche Zielsetzungen.
Eine Abstimmung der drei Studienangebote schien seit jeher wichtig, insbesondere im Hinblick auf die gemeinsame Zielsetzung, die Abgänger:innen zur Tätigkeit im Bereich der integrativen Förderung zu befähigen. Entsprechende Absprachen fanden deshalb seit ihrer Konzipierung statt. Im Zuge der Studienplanreform 2021 des Leistungsbereichs Ausbildung der PH Luzern wurde die Abstimmung optimiert. Im Folgenden werden die Ziele, das Konzept sowie erste Erfahrungen mit diesem neuen Modell vorgestellt.
Im Wesentlichen wurden mit der systematischen Abstimmung und Ausrichtung der drei Studienangebote folgende Ziele verfolgt:
Um diese Ziele zu erreichen, wurde in enger, leistungsbereichsübergreifender Zusammenarbeit ein Kerncurriculum erstellt, der sogenannte «Nukleus». Dieser gründet auf der vorgegebenen Zusammenstellung der zu erwerbenden Kompetenzen für Schulische Heilpädagog:innen (EDK, 2023). Er fokussiert hierbei insbesondere auf jene Kompetenzen, über welche Fachpersonen in der integrativen Förderung verfügen sollen.
Das Kerncurriculum umfasst 30 ECTS-Punkte und ist Teil aller drei Studienangebote (vgl. Abbildung 2): Erstens werden die Kompetenzen in der Sekundarlehrpersonenausbildung vermittelt, wenn man das Profil HP SEK I wählt. Zweitens finden sie sich im ersten Jahr des MA SHP. Drittens können sie auch erworben werden über die beiden CAS «Integratives Lehren und Lernen» (INLL) sowie «Integrative Unterrichtsentwicklung und Sonderschulung» (INUE / IS), welche Bestandteile des MAS IF sind.
Doch nicht nur die zu erwerbenden Kompetenzen sind im Nukleus identisch. Auch die Überprüfung derselben mittels Leistungsnachweisen geschieht in den unterschiedlichen Studienangeboten weitgehend identisch. Zudem sind die Inhalte auch ähnlich strukturiert und werden durch das gleiche Dozierendenteam verantwortet. Dies stellt sicher, dass die Übergänge nicht nur formal, sondern auch inhaltlich reibungslos funktionieren.
Basierend auf dem gemeinsamen Heilpädagogik-Nukleus können sich die unterschiedlichen Zielgruppen nach dem Absolvieren des Nukleus bedarfsorientiert vertiefen:
Der Heilpädagogik-Nukleus ermöglicht flexible Übergänge zwischen diesen drei Angeboten (vgl. Abbildung 2): Eine Absolventin des Profils HP SEK I kann beispielsweise den Master in Schulischer Heilpädagogik stark verkürzt erwerben, das heisst in einem oder zwei Jahren. Die im Rahmen der Sekundarlehrpersonenausbildung verfasste Masterarbeit, welche ein heilpädagogisches Thema ausweist, wird zusätzlich zum Nukleus angerechnet. Oder: Eine IF-Lehrperson, welche die beiden CAS INLL und INUE/IS absolviert hat, kann direkt ins zweite Studienjahr des MA SHP einsteigen.
Im Herbst 2021 startete in allen drei Studienangeboten die Umsetzung des Nukleus-Konzepts. Im MA SHP werden bis im Sommer 2024 rund 420 Personen und im MAS IF rund 20 Personen den Nukleus erfolgreich absolviert haben. Ein Abschluss der gesamten Ausbildung nach neuem Studienplan wird im Sommer 2024 möglich sein. Studierende aus dem Profil HP SEK I werden ihre Ausbildung und damit den Nukleus nach dem neuen Studienplan erstmals im Dezember 2025 abschliessen.
Bezüglich der Übergänge zwischen den Studienangeboten konnten erste Erfahrungen zum Übergang vom Profil HP SEK I in den MA SHP gesammelt werden. Einschränkend gilt es hierbei zu bemerken, dass die entsprechenden Studierenden das Profil HP SEK I noch nach dem alten Studienplan (ohne Nukleus) abgeschlossen haben. Dennoch war ein Übertritt ins zweite Studienjahr aufgrund des ähnlichen Studienplans mittels Anrechnung von Vorleistungen möglich. Insgesamt haben bisher zwölf Personen diesen Übergang genutzt (vgl. Tabelle 1).
Der Übergang vom MA SHP in den MAS IF wurde bisher erst von einer Person genutzt. Übergänge vom MAS IF in den MA SHP sind erst ab Herbst 2024 möglich, da die Weiterbildungsleistungen im MA SHP erst seit Januar 2024 anerkannt werden mit dem Inkrafttreten des neuen Reglements über die Anerkennung von Hochschuldiplomen im Bereich der Sonderpädagogik (EDK, 2023).
Obwohl es für eine umfassende Evaluation des erarbeiteten Konzepts noch zu früh ist, wird entlang von drei Teilaspekten eine erste Bilanz gezogen:
Ein abschliessendes Fazit kann aufgrund der kurzen Erfahrungszeit mit dem neuen Studienkonzept noch nicht gezogen werden. Zum aktuellen Zeitpunkt können wir aber festhalten, dass das Konzept eines gemeinsamen Kerncurriculums zu funktionieren scheint: Die unterschiedlichen Angebote sprechen unterschiedliche Zielgruppen an und werden ebenso genutzt wie die durch das gemeinsame Kerncurriculum entstandenen, nahtlosen Übergänge.
Insofern deuten die bisher gemachten Erfahrungen darauf hin, dass das Konzept eines gemeinsamen Kerncurriculums das lebenslange Lernen und damit eine höhere Professionalität des Personals in Schulischer Heilpädagogik unterstützt.
Wichtig ist hierbei allerdings, dass trotz der starken Abstimmung eine zielgruppenspezifische Ausrichtung nicht nur möglich bleibt, sondern auch angestrebt wird: Diese macht das entsprechende Studienangebot attraktiv und wirksam (Huber, 2009). Die Weiterentwicklung der Studienangebote wird diesem Grundsatz sicherlich Rechnung tragen. Gleichzeitig gilt es in den nächsten Jahren den Erfahrungsschatz zu erweitern und für die Weiterentwicklung der drei Studienangebote zu nutzen.
Thomas Müller, MA Co-Leiter MA SHP PH Luzern | Dr. Isabelle Egger Tresch Co-Leiterin MA SHP PH Luzern | Sabrina Eigenmann, MA Studienleitung MAS Integrative Förderung PH Luzern | Prof. Dr. phil. Bruno Zobrist Fachkoordinator Profil HP SEK I PH Luzern bruno.zobrist@phlu.ch |
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Sturny-Bosshart, G. (2023). Ausbildung in Schulischer Heilpädagogik in der Zentralschweiz 1958–2023. https://zenodo.org/records/10418809 https://doi.org/10.5281/ZENODO.10418808