Schulabsentismus als Symptom – das Kind als Symptomträger

Erfahrungsbericht aus der Kinder- und Jugendtagesstruktur für Schulinklusion

Sandra Zentriegen und Beatrice Julier

Zusammenfassung
Die Kinder- und Jugendtagesstruktur für Schulinklusion (KJTS) im Oberwallis begleitet Kinder und Jugendliche mit Schulabsentismus. Im Beitrag erläutert werden die zwei Interventionsarten der KJTS – die Mobile Truppe und die Tagesschule – sowie deren Arbeitsweisen. Zwei Fallbeispiele ermöglichen einen Einblick in die Praxis. Es zeigt sich, dass alle Kinder und Jugendliche ein Merkmal gemeinsam haben: Das Kind ist der Symptomträger, Schulabsentismus das Symptom. Es reicht darum nicht aus, nur mit den Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Um eine Veränderung anzustossen, braucht es eine konstruktive Zusammenarbeit sowohl mit der ganzen Familie als auch mit allen beteiligten Fachpersonen.

Résumé
Dans le Haut-Valais, la Jugendtagesstruktur für Schulinklusion (KJTS, structure de jour pour enfants et jeunes en faveur de l’inclusion scolaire) s’engage contre l’absentéisme scolaire. Les méthodes de travail de deux types d’intervention de la KJTS sont expliquées : la troupe mobile et l’école de jour. Deux exemples de situation permettent un aperçu de la réalité. Il en ressort que l’ensemble des enfants et jeunes ont une caractéristique commune : l’élève est porteur du symptôme, l’absentéisme scolaire est le symptôme. Il ne suffit donc pas de travailler uniquement avec les enfants et les jeunes. Pour initier un changement, il faut une collaboration constructive entre toute la famille et tous les professionnels impliqués.

Keywords: Absentismus, Eltern-Schule-Beziehung, soziale Interaktion, Kooperation / absentéisme, relation parents-école, interaction sociale, coopération

DOI: https://doi.org/10.57161/z2024-03-04

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 30, 03/2024

Creative Common BY

Im Kanton Wallis gab es laut einer Umfrage des Amtes für Sonderschulwesen im Jahr 2021 etwa 100 Schüler:innen im Alter der obligatorischen Schulpflicht, welche die Regelschule nicht besuchten. Der benötigte Zeitaufwand, um sich ausreichend mit den Gründen beziehungsweise mit dem Kind und seinem System auseinanderzusetzen, ist in der Regelschule kaum zu leisten. Das Fernbleiben vom Unterricht hat aber grossen Einfluss auf die persönliche, soziale und schulische Entwicklung eines jungen Menschen sowie auch auf seine Zukunftsaussichten. Deshalb hat der Kanton Wallis im Jahr 2021 ein Pilotprojekt für Schulabbruchsituationen oder Schulabsentismus gestartet. Im Oberwallis heisst das Pilotprojekt Kinder- und Jugendtagesstruktur für Schulinklusion (KJTS) und ist der Sonderschule Kinderdorf Leuk angegliedert. Die KJTS hat im vergangenen Schuljahr mehrere Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien im Umgang mit Schulabsentismus begleitet und unterstützt. Hauptsächlich gilt das Angebot für Schüler:innen ab der 7H bis zum Ende der obligatorischen Schulpflicht.

Definition Schulabsentismus, Schulangst und Schulphobie

Schulabsentismus wird gemäss ICD-10 F93.0 differenziert in Schulangst oder Schulphobie, wobei häufig Mischformen auftreten. Unter der Schulangst gibt es wiederum die Leistungsangst (Furcht vor schulischen Misserfolgen) oder die soziale Angst, die auf soziale Probleme innerhalb der Schule zurückgeht. Die Schulphobie zeigt sich durch ein Vermeidungsverhalten ohne direkten Bezug zur Schule. Hier ist eher die Trennungsangst von wichtigen Bezugspersonen vordergründig. Sie zeigt sich oftmals als emotionale Störung mit Trennungsangst.

Die Ursachen von Schulabsentismus sind komplex. Sie sind im familiären, sozialen und persönlichen Kontext des Kindes oder Jugendlichen zu finden. Es handelt sich beispielsweise um Familien in aufwändigen Trennungssituationen, finanziellen Schwierigkeiten und anderen anspruchsvollen Lebensumständen, mit geringem Vertrauen in die eigene Problemlösekompetenz und ohne entsprechende Handlungsmöglichkeiten oder um drohende Kindswohlgefährdung (Ricking & Albers, 2019, Reissner et al., 2015, Thimm, o. J.).

Kinder- und Jugendtagesstruktur für Schulinklusion (KJTS)

Mobile Truppe und Tagesschule

Die KJTS besteht aus der Mobilen Truppe und der Tagesschule, die sich durch ihre Interventionsmöglichkeiten unterscheiden und daher verschiedene Klientel ansprechen (Konzept KJTS, 2022).

Die Mobile Truppe besteht aus zwei Fachpersonen der Schulischen Heilpädagogik und der Psychologie. Die heilpädagogische Fachperson ist die Verbindung zwischen Kindern und Jugendlichen und der Schule. In enger Zusammenarbeit mit den Regelschullehrpersonen werden schulische Themen bearbeitet und damit die Rückkehr zur Schule möglich. Die psychologische Fachperson ist Ansprechperson für die Anliegen der Kinder und Jugendlichen, deren Eltern/Erziehungsberechtigten und übrigen Familienmitgliedern. In Gesprächen wird der Schulabsentismus thematisiert und mögliche Unterstützungsansätze werden besprochen. Die psychologische Fachperson arbeitet eng mit bereits involvierten Fachpersonen zusammen. Sie ist jeweils zu Beginn und während der (Teil-)Reintegration mit dem Kind tätig, da sie durch ihre Struktur agil und punktuell intervenieren kann. Oft sind in diesem Setting Kurzinterventionen in unterschiedlichen Variationen von zentraler Bedeutung. Kurzinterventionen können sein: Gespräche mit den Kindern und Jugendlichen sowie den Eltern, kurze schulische Inputs, Fahrbegleitungen oder Begleitung zu und in Unterrichtssequenzen in der Regelschule (Konzept KJTS, 2022). Der Fokus liegt auf der Beziehungsgestaltung, im Sinne von Vertrauen aufbauen (Steffen, 2002, Thimm, o. J.). Hier ist es gemäss unserer Erfahrung sinnvoll, dass höchstens zwei Personen den Kontakt mit dem Kind pflegen.

In der Tagesschule werden die Kinder und Jugendlichen während des gesamten Schultages inklusive Mittagessen betreut. Sie ist gebunden an die Räumlichkeiten der KJTS. Die Präsenzzeit wird den Bedürfnissen und den Möglichkeiten der Schüler:innen angepasst (Fahrpläne ÖV, schrittweiser Aufbau der Präsenzzeit usw.). Das Team der Tagesschule besteht aus jeweils einer Fachperson der Schulischen Heilpädagogik, der Psychologie und der Sozialpädagogik. Die heilpädagogische Fachperson gestaltet den Unterricht an der Tagesschule. Sie steht zudem in engem Kontakt mit den Lehrpersonen der Regelklasse. Die sozialpädagogische Fachperson arbeitet mit den Kindern und Jugendlichen vor allem in Projekten. Der Tagesablauf wird mittels sozialpädagogischer Interventionen gestaltet. Die Planung der Interventionen erfolgt entsprechend der Selbst- und Sozialkompetenzen der Kinder und Jugendlichen. Ziele sind, das Selbstvertrauen zu stärken, Ängste abzubauen und Selbstwirksamkeit zu erleben. Dies geschieht im schrittweisen Üben von alltäglichen Situationen wie der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Einkaufen, gemeinsamen Kochen oder Bibliotheksbesuchen. Ein aktiveres und sicheres Kontakt- und Beziehungsverhalten wird in Einzel- und Gruppensituationen geübt und aufgebaut. Die psychologische Fachperson erarbeitet mit den Kindern und Jugendlichen in Gruppen und/oder in Einzelsettings das Thema des Schulabsentismus. Sie arbeitet zudem mit externen Therapeut:innen zusammen. Die Tagesschule ist keine stationäre Massnahme und basiert auf Freiwilligkeit (Konzept KJTS, 2022).

Ablauf

Der Aufnahmeprozess für die KJTS wird von der Regelschule mit dem Einverständnis der Eltern eingeleitet. Möglichst alle bisher involvierten Fachpersonen und die Eltern werden einbezogen. Um die jeweiligen Schüler:innen bestmöglich zu unterstützen, braucht es eine umfassende Bewertung der Auslöser des Schulabsentismus und eine individuelle Herangehensweise.

Nach der kantonalen Platzierungsbewilligung erstellt die fallführende Person (psychologische oder heilpädagogische Fachperson des KJTS-Teams) einen Handlungsplan. In enger Zusammenarbeit mit den Eltern/Erziehungsberechtigten, der Regelschule und den bereits involvierten Fachpersonen suchen wir gemeinsam nach Lösungsansätzen. Jede Situation wird analysiert und auf das Kind passende individuelle Ansätze und Massnahmen werden besprochen und umgesetzt. Anschliessend oder meist auch übergreifend beginnt die Arbeit in der Mobilen Truppe beziehungsweise in der Tagesschule (Konzept KJTS, 2022).

Eine Aufnahme in die KJTS kann in der Mobilen Truppe oder direkt in der Tagesschule beginnen. Je nach Alter, Wohnort oder Komplexität der Situation des Kindes besteht die Möglichkeit, dass lediglich die Mobile Truppe für die Reintegration in die Regelschule zum Einsatz kommt. Nach dem Besuch der Tagesschule kann flexibel von der Tagesschule in die Mobile Truppe gewechselt werden, um den Eintritt in die Regelschule zu unterstützen (ebd.).

Die Dauer der Intervention wird je nach Situation individuell angepasst. Die Bewilligung durch den Kanton für die Aufnahme in die Tagesschule beträgt drei Monate, sie kann auch verlängert werden. Manchmal reicht eine kürzere Intervention aus. Die Begleitung durch die Mobile Truppe hat keine zeitliche Begrenzung. Sie kann individuell den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen sowie denjenigen der Familie und Schule angepasst werden (ebd.).

Arbeitsweisen des KJTS-Teams

Das Team der KJTS arbeitet interdisziplinär. Dies ermöglicht eine ganzheitliche Begleitung der Kinder und Jugendlichen. Wichtig ist, dass die Rollen und Aufgaben unter den Fachpersonen sowohl innerhalb des KJTS-Teams als auch mit den externen Partner:innen klar definiert und verteilt sind (Konzept KJTS, 2022).

Die Zusammenarbeit mit den Eltern und Erziehungsberechtigten ist ein wichtiger Bestandteil der Begleitung durch die KJTS. Die Eltern werden darum von Anfang an einbezogen. Durch regelmässigen Austausch und Unterstützung bei der Bewältigung von vorhandenen Problemen werden die Eltern ermutigt, die Bedeutung der Schule für ihre Kinder zu erkennen, sie bei der Lösungsfindung des Schulabsentismus zu unterstützen und neue Motivation zu finden.

Die Arbeit des KJTS-Teams gestaltet sich sowohl in der Mobilen Truppe als auch in der Tagesschule sehr vielfältig. Die Psycholog:innen führen eine fundierte Anamnese durch. Die Differenzierung zwischen Schulphobie und -angst ist dabei zentral. Sind die Hintergründe des Schulabsentismus klarer, können entsprechende psychologische Begleitstrategien entwickelt werden. Die Kinder und Jugendlichen werden unter anderem in Einzelgesprächen und Gruppenprojekten darin unterstützt, Bewältigungsstrategien im Umgang mit individuellen Herausforderungen zu entwickeln. Zusätzlich ist die Psychoedukation zu Schulabsentismus ein weiterer Teil der psychologischen Beratung der Familien und der Schule. Bei der Psychoedukation handelt es sich um die Vermittlung von fundiertem Wissen zu Schulabsentismus. Die Betroffenen und ihre Angehörigen werden in anschaulicher Weise über die Hintergründe der Problematik und einen möglichen Umgang damit aufgeklärt. Die Psychoedukation hat zum Ziel, das Verständnis für und den kompetenten Umgang mit Schulabsentismus zu stärken. Thematisiert werden mögliche Ursachen, die Bearbeitung von Ängsten sowie die Vermittlung von Strategien zur Konfrontation. Wird ersichtlich, dass das psychologische Angebot nicht ausreicht und eine psychotherapeutische Therapie nötig ist, wird die Familie dabei unterstützt, dies extern aufzugleisen.

Im schulischen Kontext wird zu Beginn häufig durch spielerisches Lernen ein erster Schritt getan, um wieder an unterrichtsbezogenen Fächern zu arbeiten. Durch Gespräche erfährt die heilpädagogische Fachperson oft einiges über die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen. Bei der allmählichen Steigerung der Lernintensität können Lernstrategien beobachtet, gefördert und auch eingefordert werden. Auch werden zentrale verpasste Lerninhalte aufgearbeitet.

Ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld ist das Erfassen des aktuellen Lernstandes der Kinder und Jugendlichen. So entsteht ein ganzheitliches Bild mit allfälligen schulischen und/oder kognitiven Schwierigkeiten. Bei Bedarf führt die heilpädagogische Fachperson weiterführende Abklärungen durch (Konzept KJTS, 2022).

Der Fokus der sozialpädagogischen Arbeit liegt darauf, die Selbst- und Sozialkompetenzen zu stärken. Den jungen Menschen ernst nehmen, ihn respektieren und in seiner Einzigartigkeit würdigen, sind gute Voraussetzungen, um eine Vertrauensbasis aufzubauen. In Alltagssituationen lernen die Kinder und Jugendlichen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, Selbstwirksamkeit zu erfahren, Kreativität zu entfalten, Emotionen und Bedürfnisse zu benennen und diese auszudrücken. Die Interessen und Ressourcen der Kinder und Jugendlichen werden dabei berücksichtigt und gefördert. So wird ihre Motivation gesteigert und sie erwerben zunehmend Autonomie.

In der Tagesschule können die Kinder und Jugendlichen in Gruppenprojekten positiv miteinander interagieren. Sie lernen, Rücksicht aufeinander zu nehmen, Konflikte konstruktiv anzugehen und sie gemeinsam zu lösen. Ein geregelter Alltag ermöglicht es den Kindern und Jugendlichen, sich langsam wieder an einen schulalltagähnlichen Ablauf zu gewöhnen und sich auf die Reintegration in ihrem Tempo vorzubereiten.

Das Hauptziel der KJTS liegt in der Reintegration in die Regelschule. Bei der Reintegration gibt es verschiedene Möglichkeiten: In einer Teilreintegration können die Kinder und Jugendlichen beispielsweise einzelne Fächer (z. B. Lieblingsfach) besuchen oder an Unterrichtssequenzen bei bestimmten Lehrpersonen teilnehmen. Zudem sind Anpassungen bei der Benotung und Dispensen für ausgewählte Bereiche möglich. Die Mobile Truppe kann bei solchen Schulbesuchen ins Schulzimmer begleiten. So können allfällige Schwierigkeiten erkannt und Hilfestellungen geleistet werden. Meist gelingt die Reintegration in die Regelschule. Es gibt jedoch auch andere Anschlusslösungen (vgl. Tab. 1) (Konzept KJTS, 2022).

Tabelle 1: Anschlusslösungen (in Prozent) aller bisher abgeschlossenen Fälle

Prozent

Anzahl Schüler:innen

Anschlusslösungen

67 %

8

Regelschule

17 %

2

stationäre Platzierung

8 %

1

weiterführende Schule

8 %

1

keine

Im Folgenden werden zwei Beispiele geschildert, welche die Komplexität des Themas Schulabsentismus näherbringen sollen.

Fallbeispiele

Sara[1] (12 Jahre)

Sara, eine bisher unauffällige Schülerin, ist neun Tage abwesend von der Schule. Danach kann sie nur noch punktuell in Anwesenheit der Mutter am Unterricht teilnehmen. Schliesslich besucht Sara die Schule während eines Monats gar nicht mehr. Die Regelschule zieht mehrere Fachstellen hinzu. Das Mädchen hat verschiedene Ängste und Phobien entwickelt, die sie daran hindern, ihr Zuhause zu verlassen. Es erfolgt im Einverständnis der Eltern eine Anmeldung an die KJTS durch die Schulleitung. Während mehreren Wochen besucht die fallführende Person, in dieser Situation die Heilpädagogin, Sara zuhause und versucht, eine Beziehung zu ihr aufzubauen. So kann Sara für kurze Momente zusammen mit der fallführenden Person das Haus verlassen. Nach drei Monaten beginnt die Arbeit mit Sara in der Tagesschule. Ein langwieriger Prozess macht viele komplexe Hintergründe im familiären Umfeld sichtbar. Trotz der Aktivierung vieler Ressourcen und der konstruktiven Zusammenarbeit mit der Regelschule und externen Begleitpersonen wird die KJTS der komplexen Kindes- und Familiensituation nicht gerecht. Nach sechs Monaten Tagesschule mit punktuellen Unterbrüchen wird mit Unterstützung der KESB ein stationäres Setting installiert.

Tom[2] (15 Jahre)

Tom fällt durch immer häufiger werdende Absenzen in der Regelschule auf. Diverse Ängste und Phobien sowie eine hohe Sensibilität hindern ihn daran, am Schulunterricht teilzunehmen. Während neun Monaten bleibt er dem Unterricht fern. Die Eltern zeigen sich sehr engagiert und kooperativ in der Zusammenarbeit mit der Schule. Der Jugendliche wird psychologisch begleitet. Er erarbeitet die nötigen Schulinhalte zu Hause. Teilweise nimmt er per Teams am Unterricht teil. Auf diese Weise kann er die erforderlichen Prüfungen absolvieren und besteht das Schuljahr. Da der Junge nach den Sommerferien die Schule weiterhin nicht besucht, wird ein Schulwechsel geplant, der auch nicht die gewünschte Verbesserung bringt. Anschliessend wird eine Platzierung in der KJTS in die Wege geleitet.

Um eine Beziehung aufzubauen und eine regelmässige Tagesschule mit entsprechenden Verbindlichkeiten zu gewährleisten, wird Tom zu Beginn von einer Heilpädagogin der Mobilen Truppe daheim besucht. Seine Ängste und Phobien hindern ihn daran, die Tagesschule zu besuchen. Die Sorgen und Ängste der Mutter scheinen den Jungen zusätzlich zu blockieren. Erst die Bereitschaft der Mutter, für sich selbst auch therapeutische Hilfe anzunehmen, bringt Bewegung ins System. Schritt für Schritt schafft es Tom schliesslich, die Tagesschule während 6,5 Monaten zu besuchen. Zwischendurch gibt es eine Abwesenheitsphase von rund einem Monat. Durch die enge und konstruktive Zusammenarbeit des ganzen Systems (Schüler, Eltern, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Schule) und mithilfe einer Sportdispens gelingt schliesslich eine stabile und andauernde Reintegration in die Regelschule.

Fazit

Bei der Arbeit an unserem Konzept vor zwei Jahren ging man davon aus, dass Schulabsentismus vor allem auftritt aufgrund von Mobbing, verschiedenen kulturellen Ansichten, mangelnder Kooperation oder Konflikten zwischen Familie und Schule. Mittlerweile präsentiert sich jedoch ein anderes Bild. Es zeigen sich mehrheitlich Auslöser, welche kindbezogen und im Familiensystem zu suchen sind. Das Symptom «Schulabsentismus» der Kinder ist also laut unserer Erfahrung eindeutig ein Hinweis, dass im ganzen Familiensystem Unterstützung und Veränderungen notwendig sind. Das zeigt, wie wichtig die systemische Arbeit bei Schulabsentismus ist. In der KJTS bedeutet das, nicht nur mit dem «Symptomträger», sondern mit der ganzen Familie und dem dazugehörenden Umfeld zu arbeiten. Es braucht eine konstruktive Zusammenarbeit mit allen beteiligten Fachpersonen und externen Partner:innen, um eine Veränderung auszulösen.

Es geht in der der KJTS darum, Kindern und Jugendlichen in festgefahrenen Situationen Perspektiven zu öffnen und Bildung zu ermöglichen. Dies in einem Umfeld, in dem die Mitarbeiter:innen flexibel, kreativ, verständnisvoll und mit einem intensiven Beziehungsaufbau zu den Kindern und Jugendlichen und deren Umfeld den Weg zurück in die Regelschule arrangieren.

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Sandra Zentriegen
Sozialpädagogin/Teamleitung

KJTS Brig

sandra.zentriegen@kinderdorf-leuk.ch

Beatrice Julier
Schulische Heilpädagogin

SHP Kinderdorf Leuk/KJTS Brig

beatrice.julier@kinderdorf-leuk.ch

Literatur

Kinderdorf Leuk (2022). Konzept KJTS. https://www.kinderdorf-leuk.ch/images/angebot/kjts/Konzept_KJTS_2022.pdf https://www.kinderdorf-leuk.ch/angebot/jugendtagsstruktur-fuer-schulinklusion [Zugriff: 05.02.2024].

Reissner, V., Hebebrand, J. & Knollmann, M. (Hrsg.) (2015). Beratung und Therapie bei schulvermeidendem Verhalten, Multimodale Intervention für psychisch belastete Schulvermeider. Das Essener Manual. Kohlhammer.

Ricking, H. & Albers, V. (2019). Schulabsentismus, Intervention und Prävention. Auer.

Steffen, U. (2002). Handlungsstrategien im Umgang mit Schulverweigerung - Versuch einer Systematisierung. In T. Simon & S. Uhlig (Hrsg.), Schulverweigerung (S. 43–70). Leske + Budrich.

Thimm, K. (o. J.). Null Bock auf Schule. Wie entstehen Schulmüdigkeit und Schulverweigerung? Was kann man tun? https://www.familienhandbuch.de/kita/schule/probleme/NullBockaufSchule.php

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