DOI: https://doi.org/10.57161/z2024-03-00
Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 30, 03/2024
Ende Januar erschien in der Luzerner Zeitung ein Artikel über das Konzept der Neuen Autorität, welches auf den israelischen Psychologen Haim Omer zurückgeht. Die Neue Autorität wird an Luzerner Schulen und vermehrt auch gesamtschweizerisch angewendet. Die Neue Autorität stellt unter anderem die Beziehungsgestaltung und die Präsenz von Lehrpersonen ins Zentrum. Autorität wird nicht über Macht ausgeführt – auf störendes Verhalten im Unterricht folgt kein sinnfreies Strafen. Die Neue Autorität setzt beim Verhalten an: Mit dem Kind werden verbindliche Regeln ausgehandelt. Hält es diese nicht ein, folgen auf sein Fehlverhalten logische Konsequenzen sowie die Chance zur Wiedergutmachung. Die Neue Autorität ist also keine Charaktereigenschaft, sondern vielmehr eine Beziehungsleistung, die auf klarer Kommunikation und Präsenz basiert. Ursula Brunner, Beraterin und Dozentin für Schul- und Organisationsentwicklung an der PHBern, definiert Autorität durch Präsenz folgendermassen: «Da sein, standfest und aufmerksam. In Zeiten, in denen es gut geht, aber auch in Zeiten von Krise, Belastung oder Stress. Präsenz […] wirkt zentrierend, beziehungsstiftend, vitalisierend, unterstützend, transparent, zugewandt, liebevoll.»[1]
Der Fokus der Neuen Autorität liegt auf der Stärkung der Erwachsenen, da die Haltungen und Handlungen von Lehrpersonen massgebend sind für das erfolgreiche Lehren und das Lernen der Schüler:innen. Es braucht ein System, welches die Lehrpersonen unterstützt. Ursula Brunner fordert einen «beziehungs- und verantwortungsbewussten, leistungsorientierten, resilienten und freundlichen Umgang mit allen am System Beteiligten» (ebd.). Auch die Schulen des Kantons Luzern, die auf die Neue Autorität setzen, betonen die Wichtigkeit der Zusammenarbeit im System. Beispielsweise wird nach gemeinsamen Grundsätzen gearbeitet, die in den Teams regelmässig besprochen werden – dies als Teil der Teamentwicklung. Zudem arbeiten Lehrpersonen und Schulleitung zusammen, wenn es darum geht, Massnahmen sowohl zur Unterstützung als auch als Konsequenz zu entwickeln.
Verhilft die Neue Autorität also zu gelingenden sozialen Interaktionen in der Schule? Vermutlich bedingen sich Neue Autorität und gelingende soziale Interaktionen gegenseitig. Die Beziehungsgestaltung ist die Basis der Neuen Autorität. Dadurch, dass dieser Raum für Beziehungen gegeben ist, können soziale Interaktionen gelingen. Letzteres ist für alle Menschen wichtig: Gelingende soziale Interaktionen sind nicht nur identitätsstiftend, sondern haben Einfluss auf den Lernerfolg der Schüler:innen. Die Neue Autorität funktioniert nur mit gelingenden sozialen Interaktionen zwischen Lehrpersonen im Team und Schulleitung. Fest steht: Die Beziehungsgestaltung im ganzen System ist somit Kern der (sonder-)pädagogischen Tätigkeit.
Noëlle Fetzer Wissenschaftliche Mitarbeiterin SZH/CSPS |