Didaktik für alle – ein Meilenstein hin zu einer Schule für alle

Romain Lanners

DOI: https://doi.org/10.57161/z2024-02-00

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 30, 02/2024

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Im Tagesanzeiger ist kürzlich ein Interview erschienen zu den historisch gewachsenen strukturellen Unterschieden zwischen den privat-rechtlichen Sonderschulen und der öffentlich-rechtlichen Regelschule. Dieses Interview hat für viele positive, aber auch negative Reaktionen gesorgt. Es thematisiert die kontinuierlich steigende Anzahl von Schüler:innen der obligatorischen Bildungsstufe in Sonderschulen. In den letzten vier Jahrzehnten ist der Anteil der Lernenden in Sonderschulen um 30 Prozent gestiegen, von 1,4 Prozent auf 1,8 Prozent (Lanners et al., 2023, S. 55). Wir wissen, dass das Angebot die Nachfrage fördert und dass es sehr wenig Reintegrationen aus einer Sonderschule in die Regelschule gibt. Ausnahmen gibt es bei Lernenden mit schwierigem Verhalten. In den letzten 15 Jahren ist auch die Anzahl Schüler:innen in Sonderklassen um 40 Prozent gesunken. Diese erfreuliche Entwicklung zeigt, dass die Regelschule Grosses im Bereich Integration geleistet hat. In der aktuellen Diskussion geht es also nicht darum, die Sonderschulen gegen die Regelschule auszuspielen, sondern darum, die Zusammenarbeit zwischen der Sonderpädagogik und der Regelpädagogik langfristig zu stärken. Wir sind auf allen Ebenen des Bildungssystems gefordert, die Durchlässigkeit zwischen den beiden Systemen zu verbessern, damit wir unsere Ziele «Integration vor Separation» und «eine Schule für alle» erreichen können.

Die Didaktik für alle – universelle Didaktik oder auch Didaktik im Universal Design genannt – ist eine Möglichkeit, die Integration aller Lernenden zu fördern; unabhängig von ihren Fähigkeiten oder ihrem Hintergrund. Die Differenzierung im Unterricht befasst sich mit der Planung und Umsetzung von Lehr- und Lernprozessen, die die Vielfalt der Bedürfnisse der Lernenden berücksichtigen.

Die Didaktik für alle setzt auf eine Vielzahl von Lehrmethoden und Medien, um den verschieden Lernstilen der Schüler:innen gerecht zu werden: Die aktive Teilnahme der Lernenden wird gefördert, um ihr Engagement und ihre Motivation zu steigern. Der Praxisbezug im Unterricht betont die Anwendbarkeit des Gelernten im Alltag. Selbstgesteuertes Lernen stärkt die Selbstständigkeit und die Selbstregulation. Die Anwendung von barrierefreien digitalen Tools fördert die Differenzierung im Unterricht. Das kontinuierliche Feedback der Lehrpersonen und die transparente Bewertung des Gelernten wiederum ermöglichen es den Schüler:innen, ihre Fortschritte zu verstehen und ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln.

Zusammenfassend geht es bei der Didaktik für alle darum, eine flexible, inklusive und gerechte Lernumgebung zu schaffen, die die Vielfalt der Lernenden berücksichtigt und Bildung für alle ermöglicht. An unserem diesjährigen Kongress zum Stand der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in der Schweiz werden wir sicher viele andere mögliche Ansätze einer Schule für alle kontrovers diskutieren können.

Dr. phil. Romain Lanners

Direktor

SZH/CSPS

romain.lanners@szh.ch