Emotionscoaching für eine gesunde sozio-emotionale Entwicklung

Das Programm «Tuning in to Kids – sich in Kinder einfühlen (TIK)»

Susan C. A. Burkhardt

Zusammenfassung
Emotionale Kompetenzen sind wichtig für eine gesunde Entwicklung. Eine konstruktive Herangehensweise, um mit Emotionen umzugehen, ist das Emotionscoaching. Das Emotionscoaching nach Gottman ist Kern des australischen Elternprogramms «Tuning in to Kids» (TIK). Kernziel von TIK ist es, den Eltern Metaemotionen bewusst zu machen. Im Beitrag werden die fünf Schritte des Emotionscoachings erläutert. Nebst den Rahmenbedingungen wird auf die Evaluation und die Weiterentwicklung von TIK eingegangen.

Résumé
Les compétences émotionnelles jouent un rôle important, car elles permettent à l’être humain de se développer sainement. Apprendre à gérer les émotions de manière constructive peut se faire grâce au coaching émotionnel. Selon Gottman, le coaching émotionnel est au cœur du programme parental australien « Tuning in to Kids » (TIK – À l’écoute des enfants). L'objectif principal du TIK est que les parents prennent conscience des méta-émotions. Cet article décrit les cinq étapes du coaching émotionnel. Outre les conditions-cadres, il présente également des résultats d’une évaluation et les développements ultérieurs prévus concernant le TIK.

Keywords: Emotion, sozial-emotionale Entwicklung, Eltern-Kind-Beziehung, Erziehung, Beratung / émotion, développement socio-émotionnel, relation parents-enfant, éducation, orientation

DOI: https://doi.org/10.57161/z2023-09-03

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 29, 09/2023

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Die Bedeutung emotionaler Kompetenzen

Emotionale Kompetenzen sind eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung. Lernt ein Kind beispielsweise nicht, sich selbst zu regulieren, wird es früher oder später in sozialen Situationen anecken und auf die Ko-Regulation durch andere Personen angewiesen bleiben. Entwicklungsauffälligkeiten und auch psychische Erkrankungen haben ihre Ursache meist in einer nicht gelungenen Emotionsregulation beziehungsweise in einer inadäquaten Anpassung an die Situation (Müller & Sigrist, 2019).

Besonders im Alter von drei bis neun Jahren, in der Hauptphase der Emotionssozialisation, erwerben Kinder wichtige emotionale Kompetenzen (Cole et al., 2009). Definitionen von emotionalen Kompetenzen beinhalten übereinstimmend die Fähigkeiten, eigene Gefühle zu erkennen, auszudrücken und zu regulieren (Denham et al., 2007). In der aktuellen Forschung (Otterpohl et al., 2020) werden Wirkmechanismen beschrieben, die in der familiären Emotionssozialisation aktiv sind:

  1. Lernen durch Beobachtung: Das Kind beobachtet bewusst oder unbewusst, wie die Eltern mit ihren eigenen Emotionen umgehen und lernt daraus. Sind die Eltern wütend, schreien sie. Schreien ist also – so wird es dem Kind vermittelt – ein akzeptierter Weg, um Wut auszudrücken.
  2. emotionales Familienklima (beinhaltet alle Beziehungen und Bindungen in der Familie sowie die Konsistenz in der Erziehung): Das emotionale Familienklima bestimmt, ob das Kind eher ruhig oder angespannt ist. Wenn die Eltern ohne Vorwarnung plötzlich sehr laut, aggressiv und ausfallend werden – gegeneinander oder gegen die Kinder – entwickelt das Kind eine ständige Wachsamkeit; sein autonomes Nervensystem ist in Alarmbereitschaft. Ist das emotionale Familienklima hingegen vorhersehbar, das heisst, die Eltern haben gelernt, ihre eigenen Emotionen zu regulieren und einander nicht anzuschreien, kann sich das Kind sicher fühlen. Angstfreiheit ist eine wichtige Voraussetzung für jede Art von Lernen und psychischer Entwicklung.
  3. emotionsbezogene Erziehungspraktiken: Die Kinder merken unmittelbar, wie ihre Eltern oder andere erwachsene Bezugspersonen auf ihre kindlichen Emotionen eingehen.

Emotionsbezogene Erziehungspraktiken

Gottman und DeClaire (1997) haben Videosequenzen mit familiären Gesprächen ausgewertet und vier Erziehungspraktiken identifiziert, wie Eltern auf kindliche Emotionen reagieren:

  1. Nichtbeachten von Emotionen: Die Erwachsenen sprechen zwar mit dem Kind über die Emotion, wollen aber schnell wieder zur Tagesordnung übergehen und geben dem Gefühl keinen Raum. Dies kann durchaus in einer liebevollen Art geschehen: «Ach komm, mach dir nichts draus.» Oder «Ist doch nicht so schlimm». Das ist jedoch kein gesundes Eingehen auf die kindliche Emotion. Durch solches Beschwichtigen, Kleinreden und Ablenken von der Emotion erhält das Kind die Botschaft: «Mein Gefühl ist falsch, nicht erwünscht, schlecht … Das Gefühl muss schnell wieder weggehen.» Dementsprechend wird es zusätzlich zum eigentlichen Gefühl noch Scham entwickeln und diese schamauslösenden Gefühle vor den Eltern eher zu verstecken versuchen.
  2. Emotion-missbilligender Stil: Wird das Kind dafür kritisiert, beschimpft oder bestraft, dass es wütend ist («Jetzt tu’ nicht so blöd»), spricht man von einem emotion-missbilligenden Stil. Wenn Kinder häufig bestraft werden für ihre Emotionen und ihren emotionalen Ausdruck (Weinen, Schreien, Weglaufen …), beginnen sie, ihre Emotionen nicht mehr zu zeigen oder sogar zu bekämpfen.
  3. Laisser-faire: Dies ist ein Stil mit hoher Empathie, jedoch wenig Anleitung durch die Eltern. Die Emotionen werden zwar ernst genommen und thematisiert, jedoch nicht reguliert und dem Kind werden keine Grenzen gesetzt. Auch hinter diesem Erziehungsverhalten kann die elterliche Absicht stehen, eher unangenehme Emotionen möglichst zu vermeiden. Alle diese drei Stile haben sich in der Forschung als ungünstig für das Kind ungünstig erwiesen (Gottman & DeClaire, 1997): Nebst einem niedrigen Selbstwert und einem Mangel an emotionaler Intelligenz und Emotionsregulation haben Kinder, die hauptsächlich solche Erfahrungen mit Emotionen gemacht haben, oft Schwierigkeiten, Freundschaften zu schliessen und aufrechtzuerhalten.
  4. Emotionscoaching: Nebst diesen drei Arten, Emotionen nicht zu beachten, gibt es schliesslich den Erziehungsstil des Emotionscoachings. Dieser Stil ist der Kern des Elternprogramms «Tuning in to Kids» («sich in Kinder einfühlen»).

Emotionscoaching mit dem TIK-Training

Das Programm «Tuning in to Kids» (TIK) ist ein Emotionstraining für Eltern. TIK wurde an der Universität Melbourne (Australien) entwickelt (Havighurst et al., 2012) und wird inzwischen in mehreren Ländern verschiedener Kulturen auf fast allen Kontinenten erfolgreich durchgeführt; beispielsweise Neuseeland, Iran, Türkei, Norwegen, USA, Chile, Russland und Israel. Im Jahr 2019 wurde es erstmals in Deutschland angeboten (Otterpohl et al., 2020), in den Jahren 2021 und 2022 auch in der Schweiz implementiert und evaluiert (Burkhardt et al., under review).

Kernziel von TIK

Das Kernziel von TIK ist es, elterliche Metaemotionen zu hinterfragen. Gemäss der Metaemotionstheorie (Gottman et al., 1996) hängen unsere Reaktionen auf Emotionen massgeblich davon ab, wie wir über diese Emotionen denken. Wenn wir beispielsweise gelernt haben, dass es sich nicht ziemt, Stolz, Eifersucht oder Neid zu zeigen (weil wir als Kind dafür kritisiert, getadelt oder gar bestraft wurden), werden wir uns unwohl fühlen, wenn wir uns stolz, eifersüchtig oder neidisch fühlen. Wir werden versuchen, diese Gefühle zu verstecken. Diese sogenannten Metaemotionen erlernen wir im Laufe des Lebens – und ganz besonders innerhalb der Ursprungsfamilie (Gottman et al., 1996). Sie werden wiederum von der Art und Weise beeinflusst, wie primäre Bezugspersonen auf den Emotionsausdruck reagieren. Je nachdem also, ob diese Bezugspersonen Gefühle ignorieren, bestrafen, von ihnen abzulenken versuchen (Nichtbeachten von Emotionen) oder sie zum Ausdruck ermutigen und/oder Emotionsregulationsstrategien vermitteln (Emotionscoaching), entwickeln Kinder Vorstellungen davon, wie sie selbst mit ihren Gefühlen umgehen sollen. Metaemotionen übertragen sich also über die Erziehung transgenerational. Eltern und Lehrpersonen sind in diesem Prozess wichtige Informationsquellen und sind – oft unbewusst – Vorbilder für Kinder und geben ihre Metaemotionen an diese weiter (ebd.).

Ein weiteres Kernziel von TIK ist der achtsame, kritikfreie Umgang mit eigenen und kindlichen Emotionen. Im TIK-Kurs lernen Eltern von Kindern zwischen drei und zehn Jahren und Lehrpersonen, wie sie mit den Kindern über Emotionen sprechen und diese begleiten nach dem Motto, das jeder Wunsch und jedes Gefühl erlaubt ist, aber nicht jedes Verhalten (Ginott, 1965).

Ablauf des Emotionscoachings

Das Emotionscoaching besteht nach Gottman und DeClaire (1997) aus fünf Schritten. Die Schritte eins, zwei und fünf mögen einem aus dem lösungsorientierten Ansatz bekannt vorkommen (Baeschlin et al., 1995). Was das Emotionscoaching ausmacht, sind die beiden Schritte drei und vier: Anstatt das Gefühl nur als «Problem» zu erkennen, zum Beispiel, weil es sich durch «problematisches» Verhalten zeigt, fühlt sich die erwachsene Person in die kindliche Sichtweise ein. Von der Ausgangslage der Empathie aus werden dann die Emotionen benannt und weiter erforscht. Schliesslich wird im letzten Schritt, wenn nötig, eine Lösung gesucht:

  1. Sich der Emotionen des Kindes bewusstwerden, insbesondere, wenn sie noch nicht sehr intensiv sind
    Dieser Aspekt benennt die achtsame Herangehensweise. Sieht das Kind traurig aus, bieten wir ihm nicht zur Ablenkung ein Gummibärchen an, sondern erlauben dem Kind, traurig zu sein und lernen das auszuhalten. Kein Kind muss immer fröhlich sein, auch Traurigkeit hat eine Funktion. Sie zeigt an, was für die Person wichtig ist. Wir sprechen das Kind aber nicht erst an, wenn es zum Beispiel einen Weinkrampf hat. Als erwachsene Person fragen wir uns zudem: Welches Gefühl habe ich gerade? Bin ich selbst aufgebracht und sollte mich erst beruhigen, ehe ich das Kind anspreche? Erst wenn wir uns und unser Nervensystem reguliert haben, können wir uns auf die kindlichen Emotionen konzentrieren und der Rolle des beobachtenden Coachs gerecht werden. Habe ich im Moment überhaupt Zeit? Sind noch andere Menschen im Raum und wären wir besser allein für ein Gespräch? Sind wir gerade nicht in der Lage, sprechen wir das Kind nicht sofort an. Auch später oder am folgenden Tag lassen sich Emotionscoaching-Gespräche noch sehr gut führen.
  2. Die Emotionen des Kindes als Gelegenheit für Nähe und Anleitung sehen
    Wenn ich das Kind anspreche «Du bist heute Morgen zu spät gekommen und hast etwas traurig gewirkt», beschreiben wir, was wir sehen. Wir geben dem Kind damit die Möglichkeit, über sein Gefühl und sein Verhalten zu sprechen. Wichtig ist hierbei, dass die Motivation der erwachsenen Person darin besteht, Nähe zum Kind herzustellen und nicht darin, das Kind auf seine Regelverletzung aufmerksam zu machen. Wenn das die Hauptmotivation wäre, sind wir nicht beim Emotionscoaching, sondern in einem gewöhnlichen erzieherischen Gespräch.
  3. Empathisch zuhören und die Gefühle des Kindes validieren
    Die Aussage «Schau, du hast ja noch so viele andere schöne Stifte», ist zwar eine lösungsorientierte, aufheiternde, aber vom kindlichen Gefühl ablenkende Reaktion. Stattdessen erkennen wir die Traurigkeit an und sind empathisch: «Ich habe auch mal was verloren, was ich sehr schön fand, da war ich auch ein bisschen traurig.» Wenn ein Gefühl Raum bekommt, wird es meist schon etwas schwächer und das Kind beruhigt sich. Durch das Benennen bestätigen wir, dass wir das Gefühl wahrgenommen haben. Der emotionale Ausdruck (z. B. traurig schauender Blick) ist nämlich dazu da, gesehen zu werden, er hat eine kommunikative, soziale Funktion. Dabei ist es wichtig, sich zu überlegen: «Wie wäre diese Situation für mich selbst? Wie würde ich mich fühlen, wenn ich was Wichtiges verlieren würde?» Zudem ist es wichtig, dieses Gefühl authentisch zu benennen und empathisch zu begleiten.
  4. Dem Kind dabei helfen, Worte zu finden, um die Emotion zu beschreiben
    Wir geben dem Kind Gelegenheit, Worte zu finden und gegebenenfalls neu in seinen Wortschatz aufzunehmen: «Bist du traurig, enttäuscht, wütend …?» Wir überlegen, ob das Kind das Gefühl in seinem Körper wahrnehmen kann. Gefühle sind nicht zuletzt auch körperliche Veränderungen. Angst und Traurigkeit gehen oft mit einem Gefühl der Enge, vielleicht sogar Atemnot einher. In diesem vierten Schritt lernt das Kind, verschiedene Emotionen zu unterscheiden und Worte für verschiedene Nuancen zu verwenden. Vielleicht merkt es auch, dass es mehrere Gefühle gleichzeitig hat.
  5. Unangemessenem Verhalten Grenzen setzen und/oder das Kind beim Problemlösen unterstützen
    Wenn nötig, setzen wir dem Kind Grenzen («Du darfst die Sofakissen hauen, aber nicht mich»). Wir unterscheiden also das Gefühl der Wut, das erlaubt ist, vom wütenden Verhalten, das je nachdem nicht erlaubt ist oder finden eine Lösung für das Problem. Je nach Alter des Kindes bieten wir ihm mögliche Optionen an («Möchtest du einen Stift von mir ausleihen?»).

Rahmenbedingungen von TIK

Das Training besteht aus sechs wöchentlichen Gruppensitzungen zu je zweieinhalb Stunden und beinhaltet Psychoedukation, Gruppendiskussionen, Rollenspiele, erlebnisorientiertes Lernen und Entspannungstechniken. Idealerweise machen beide Elternteile mit. Sie werden ermutigt, sich auszutauschen, zum Beispiel über ihre Metaemotionen und deren Einfluss auf die Erziehung und auch über ihre wöchentlichen (Fort-)Schritte im Emotionscoaching. Anhand konkreter Beispiele werden die Schritte in Rollenspielen und Übungen trainiert und die Eltern tauschen sich darüber aus. Darüber hinaus werden sie ermutigt, eigene Strategien zur emotionalen Selbstfürsorge zu finden, da die elterliche Emotionsregulation für einen achtsamen Umgang unabdingbar ist.

Evaluation von TIK

TIK wurde in der Schweiz von der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik (HfH) erstmals in der Schweiz angeboten (Burkhardt et al., under review). In einer ersten Erprobungsphase nahmen innerhalb eines Forschungsprojektes während der Jahre 2021 und 2022 insgesamt 115 Familien aus acht Schweizer Kantonen und aus Deutschland teil. Die Kurse wurden von zertifizierten Fachpersonen durchgeführt, die eine spezielle Schulung und zuvor ein Studium im pädagogischen oder psychologischen Bereich absolviert hatten. Wegen der Covid-19-Pandemie und der damit einhergehenden Einschränkungen fand das TIK in Form von zehn Online-Kursen statt. Das Projekt wurde wissenschaftlich evaluiert. Die Materialien wurden zuvor von deutschen Kolleginnen ins Deutsche übersetzt (Otterpohl et al., 2020). Zudem wurde TIK in Deutschland evaluiert.

Auch in der Schweiz hatte das Training einen langfristigen Einfluss auf die teilnehmenden Familien (Burkhardt et al., under review). Der Umgang der Eltern mit den Emotionen ihrer Kinder (im Alter von 3 bis 6 Jahren) hat sich nach dem Kurs verändert: Emotions-nichtbeachtende Erziehung nahm nach der Kursteilnahme ab, ebenso die Missbilligung von Emotionen sowie eher aggressive Erziehungsmassnahmen. Ebenso verbesserte sich in der Schweizer Studie das Verhalten der Kinder; die Effekte waren auch nach einem halben Jahr noch nachweisbar.

Viele Eltern berichten übereinstimmend, dass durch das Emotionscoaching bisher schwierige Situationen entschärft und aufgelöst werden konnten. Probleme eskalierten nicht mehr so schnell, sondern würden konstruktiv gelöst, bevor die Emotion zu stark und kaum mehr kontrollierbar werde. Gleichzeitig erlebten es viele Eltern als entlastend, dass zwar jedes Gefühl, aber nicht jedes Verhalten «erlaubt» sei und nähmen es gerne zum Anlass, die oft ungeschriebenen Regeln zu Hause einmal zu definieren und transparent zu machen.

Diese neue Einstellung gegenüber Emotionen (den eigenen und denen der Kinder) braucht jedoch eine gewisse Übung. Dreiviertel der befragten Schweizer Eltern fanden die Prinzipien und die fünf Schritte des Emotionscoachings leicht verständlich, aber schwierig anzuwenden. Das Umlernen von Gewohnheiten, derer man sich oft gar nicht bewusst ist, braucht Zeit und stete Übung.

Nebst der Verbesserung der emotionalen Kompetenz konnte in wissenschaftlichen Evaluationen eine Abnahme von internalisierenden und externalisierenden Störungen sowie Verhaltensauffälligkeiten nachgewiesen werden: Sowohl eher depressive und ängstliche Störungen (internalisierend) als auch hyperaktive und aggressive Verhaltensweisen (externalisierend) nehmen bei den Kindern ab. Neben eindrücklichen Wirknachweisen von TIK in Australien gibt es inzwischen auch Evidenz aus Deutschland, Iran, der Türkei, Hongkong, USA und Norwegen (Bjork et al., 2021; Chan et al., 2021; Edrissi et al., 2019; Otterpohl et al., 2020). TIK ist damit sowohl zur Prävention als auch als indizierte Massnahme geeignet.

Weiterentwicklung von TIK

Eine Weiterentwicklung von TIK ist der whole school approach (Kehoe, 2023), bei dem neben Eltern und Kindern auch die Lehrpersonen und andere schulische Fachpersonen gleichzeitig in Emotionscoaching geschult werden. Nachweislich wirken Interventionen am besten, wenn sie von der Schule mitgetragen werden (Bambara et al., 2009). Eltern und Lehrpersonen werden zu kompetenten Partner:innen. An der HfH werden deshalb nun TIK-Weiterbildungen für pädagogische und therapeutische Fachpersonen angeboten, die mit Kindern im Vor- und Primarschulalter arbeiten.

Ab 2024 ist hierzu auch ein Forschungsprojekt der HfH geplant: Im ersten Schritt wird eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, um eine Übertragbarkeit der australischen Materialien und Prozesse in der Schweiz zu überprüfen. Im zweiten Schritt ist eine Wirksamkeitsstudie geplant, die unter anderem auch spezielle Einflüsse sichtbar machen soll. Welchen Einfluss hat TIK auf die Gesundheit der Lehrpersonen, zum Beispiel bezüglich Burn-out-Prophylaxe, wenn Lehrpersonen ihre eigenen emotionalen Kompetenzen weiterentwickeln? Welchen Einfluss hat das Training auf die Beziehung zu den Schulkindern? Und welchen Einfluss haben Lehrpersonen verglichen mit den Eltern auf die kindliche Emotionssozialisation? Lassen sich diese Einflüsse überhaupt trennen? Diese und weitere Fragen sollen geklärt werden.

Betrachtet man die Erfahrungen mit Emotionscoaching in der Schule in anderen Ländern, so besteht auch für die Schweiz die berechtigte Hoffnung, dass alle Beteiligten vom Emotionscoaching profitieren werden.

Dr. phil. Susan C. A. Burkhardt

Dipl.-Psych.

Advanced Researcher

Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich

anna.burkhardt@hfh.ch

Literatur

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Bambara, L. M., Nonnemacher, S. & Kern, L. (2009). Sustaining school-based individualized positive behaviour support. Journal of Positive Behaviour Interventions, 11 (3), 161–176. https://doi.org/10.1177/1098300708330878

Bjørk, R. F., Bølstad Karevold, E., Pons, F. & Havighurst, S. S. (2021). Testing TIK (Tuning in to Kids) with TEC (Test of Emotion Comprehension): Does enhanced emotion socialization improve child emotion understanding? Journal of Applied Developmental Psychology, 78 (2), 1–12. www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0193397321001313?via%3Dihub101368

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Otterpohl, N., Buchenau, K., Havighurst, S., Stiensmeier-Pelster, J. & Kehoe, C. (2020). Tuning in to Kids. Ein Elterntraining zur Förderung der Emotionssozialisation im Vorschulalter. Kindheit und Entwicklung, 29 (1), 52–60. https://doi.org/10.1026/0942-5403/a000300