Wie geht es Dir? Menschliche Emotionen im Fokus

Olga Meier-Popa

DOI: https://doi.org/10.57161/z2023-09-00

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 29, 09/2023

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Der Mensch ist ein soziales Wesen. «Wie geht es Dir?» ist eine der häufigsten Fragen, die wir im Alltag stellen. Manchmal ist die Frage eine Floskel. Sie kann jedoch auch echtes Interesse an den Gefühlen des Gegenübers ausdrücken oder ein Herantasten an die Gefühlslage des Gegenübers sein, damit wir wissen, wie wir uns verhalten sollen.

Freude, Trauer, Wut, Angst, Abscheu und Überraschung sind Basisemotionen, die in zahlreichen Variationen bestehen. Sie sind uns nicht immer bewusst und wir können sie nicht immer einem bestimmten Geschehen zuordnen. Emotionen sind jedoch (über-)lebenswichtig, weil sie unsere Wahrnehmung, unser psychisches Wohlbefinden, unser Verhalten und damit die zwischenmenschlichen Beziehungen beeinflussen. Sie helfen uns, Situationen zu bewerten, uns im Alltag zu orientieren und Entscheidungen zu treffen. Wenn wir beispielsweise angesichts einer Gefahr Angst empfinden, kann dies die Reaktion Kampf oder Flucht auslösen. Diese bereitet den Körper darauf vor, sich entweder der Bedrohung zu stellen oder vor ihr zu fliehen.

Emotionen sind komplexe Prozesse, die Emotionsforschung ist ein faszinierendes, multidisziplinäres Gebiet. Neue Erkenntnisse kommen laufend hinzu und viele werden unter anderem in der (Sonder-)Pädagogik zur Unterstützung der Emotionsregulation angewendet. Die Artikel dieser Ausgabe zeigen solche Beispiele.

Die emotionalen Kompetenzen entwickeln sich im Laufe der Jahre als Ergebnis der Interaktion zwischen einem Individuum und seiner Umwelt. Bereits Neugeborene reagieren auf ihre Umgebung und zeigen verschiedene einfache Gefühle. Sowohl das Repertoire an Emotionen als auch die Emotionsregulation erweitern und verfeinern sich mit den gemachten Erfahrungen. Einfluss darauf haben nicht nur die erwachsenen Bezugspersonen (Eltern, Lehrpersonen etc.), auch die Peers tragen zur Entwicklung sozio-emotionaler Kompetenzen bei.

Das Entwicklungstempo ist allerdings individuell. Speziell zu berücksichtigen in der Arbeit mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen ist die Diskrepanz zwischen dem biologischen Lebensalter, dem kognitiven Referenzalter und dem emotionalen Entwicklungsalter. Ungeeignete Angebote in der Förderung und Betreuung können zu einer emotionalen Überforderung führen, die sich internalisiert oder externalisiert manifestiert. Die Prävention oder Deeskalation von herausfordernden Verhaltensweisen in Institutionen bedarf vielfältiger Interventionen. Dabei wird auch der räumlich-architektonischen Gestaltung vermehrt Achtung geschenkt, denn sie kann die Emotionsregulation positiv beeinflussen.

Der Einfluss der Umwelt auf die menschlichen Emotionen und die Emotionsregulation hat in den letzten Jahren eine neue Dimension erreicht: Die künstliche Intelligenz KI ist fähig, Gefühle zu erkennen und zu manipulieren. Die digitale Welt stellt damit die (Sonder-)Pädagogik vor neue Herausforderungen.

Emotionen sind und bleiben unerlässlich für unser Erleben, Überleben und Wohlbefinden. Ein Lächeln als Ausdruck der Freude hellt die Stimmung auf, denn Emotionen sind dank den Spiegelneuronen ansteckend!

Dr. phil. Olga Meier-Popa

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

SZH/CSPS

olga.meier@szh.ch