Emotionale Überforderung als Ursache für herausforderndes Verhalten im Schulalltag

Der emotionalen Überforderung von Schüler:innen entgegenwirken dank der Kenntnis des emotionalen Entwicklungsstandes

Cécile Tschopp und Janine Hentrich

Zusammenfassung
Herausforderndes Verhalten von Kindern, insbesondere mit kognitiven Beeinträchtigungen, kann missverstanden werden, wenn der emotionale Entwicklungsstand nebst dem biologischen Lebensalter und dem kognitiven Referenzalter zu wenig beachtet wird. Besteht jedoch ein Bewusstsein für eine mögliche Diskrepanz zwischen der kognitiven und der emotionalen Entwicklung und ist der emotionale Entwicklungsstand des betroffenen Kindes bekannt, können sich Lehrpersonen entsprechend verhalten und dadurch die emotionale Überforderung beim Kind reduzieren. Dies wiederum kann zu einer Reduktion von herausforderndem Verhalten beim Kind führen. In diesem Beitrag diskutieren wir die Rolle der emotionalen Entwicklung im Zusammenhang mit herausforderndem Verhalten und wie sie erfasst werden kann.

Résumé
Les comportements difficiles des enfants peuvent être mal interprétés si l’on tient compte uniquement de leur âge biologique et cognitif de référence, sans tenir compte suffisamment de leur développement émotionnel. C’est davantage le cas s’agissant des enfants ayant une déficience intellectuelle. Toutefois, si l'enseignante ou l’enseignant est conscient qu’il peut y avoir un décalage entre le développement cognitif et le développement émotionnel, et si elle ou il connaît le niveau de développement émotionnel de l'enfant concerné, elle ou il peut agir en conséquence et réduire ainsi le surmenage émotionnel chez l'enfant, ce qui peut conduire à une diminution des comportements difficiles. Dans cet article, nous discutons du rôle du développement émotionnel en lien avec les comportements difficiles et de la manière dont celui-ci peut être évalué.

Keywords: Verhaltensauffälligkeit, sozial-emotionale Entwicklung, kognitive Beeinträchtigung, Kommunikation / troubles du comportement, développement socio-émotionnel, déficience intellectuelle, communication

DOI: https://doi.org/10.57161/z2023-09-02

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 29, 09/2023

Creative Common BY

Herausforderndes Verhalten

Fallbeispiel «Timo», 10 Jahre: Teil 1
Timo hat eine mittelgradige Intelligenzminderung und besucht eine heilpädagogische Schule mit Internat. Er benötigt ständige Aufsicht, da er Gefahren nicht abschätzen kann und beispielsweise auf die Strasse läuft. Zudem trägt er Fussorthesen und hat für weite Strecken einen Rollstuhl. Er spricht einzelne Laute wie «dada» oder «Mama» und hat ein situatives Sprachverständnis.
Timo hat mehrere bewegungseinschränkende Massnahmen im Alltag, um sein Verhalten zu kontrollieren. Beispielsweise sitzt er am Esstisch in einem Therapiestuhl, in dem er mit einem Gurt fixiert wird, damit er während des Essens nicht mehr aufsteht. Er zeigt zudem fremdverletzendes Verhalten wie Schlagen, Kneifen und Beissen. Hierfür erhält er zweimal täglich ein Psychopharmakon, welches innere Spannungen sowie seine Unruhe verringern soll. Die Mitarbeitenden empfinden die Arbeit mit Timo als kräftezehrend. Sie fühlen sich von ihm provoziert und zweifeln an ihren Kompetenzen, da er sie häufig an ihre pädagogischen und persönlichen Grenzen bringt.

Dieses Fallbeispiel zeigt auf, wie herausfordernd das Verhalten eines Kindes sein kann. Solche herausfordernden Situationen belasten das betroffene Kind und die Lehrperson[1], da es zu einem akuten Stressempfinden auf beiden Seiten kommt. Solche Situationen können im Wiederholungsfall jedoch auch längerfristige negative Konsequenzen für die beteiligten Akteur:innen haben:

Timo hat eine intellektuelle Entwicklungsstörung. Doch unabhängig davon, ob eine intellektuelle Entwicklungsstörung vorliegt oder nicht, werden bei der Interpretation des Verhaltens eines Kindes meist sein Lebensalter und seine kognitiven Fähigkeiten berücksichtigt. Die emotionale Entwicklung dagegen bleibt häufig unbeachtet. Das heisst, es wird nicht bedacht, dass das emotionale Entwicklungsalter vom biologischen Lebensalter und/oder vom kognitiven Referenzalter abweichen kann (Sappok & Zeppertiz, 2019). So wird vom Kind in einer spezifischen Situation ein reiferes Verhalten erwartet, welches das Kind aufgrund seines emotionalen Entwicklungsstandes aber gar nicht zeigen kann. Das vom Kind gezeigte Verhalten wird von der Lehrperson als normabweichend wahrgenommen und die Reaktion der Lehrperson verschärft die Situation zusätzlich. So erleben beide beteiligten Personen aus unterschiedlichen Gründen Stress, Frustration und Ohnmacht: Das Kind, weil es sich nicht angemessen wahrgenommen und verstanden fühlt und die Lehrperson, weil sie das Verhalten des Kindes weder richtig interpretieren noch wie gewünscht positiv beeinflussen kann und sich im schlimmsten Fall durch das Verhalten des Kindes provoziert fühlt.

Verhaltensstörungen (auch als Verhaltensauffälligkeit, Problemverhalten oder herausforderndes Verhalten bezeichnet) (Sappok & Zepperitz, 2019, S. 101):

«Verhaltensstörungen sind kulturell unangemessene Verhaltensweisen erheblicher Intensität oder Dauer, die zu einer Gefährdung der körperlichen Gesundheit oder sozialen Teilhabe führen und nicht durch andere psychische Störungen oder körperliche Erkrankungen erklärbar sind. […] Mögliche Ursachen von Verhaltensstörungen sind Über- oder Unterforderung im Rahmen der kognitiven Beeinträchtigung, genetische Syndrome (Verhaltensphänotyp), Autismus oder systemische Faktoren.»

Emotionale Entwicklung

Der Mensch kommt als emotional kompetentes Wesen zur Welt (bspw. können Säuglinge bereits verschiedene einfache Emotionen zeigen, wahrnehmen und darauf reagieren; Sappok & Zepperitz, 2019). Jedes Kind durchläuft die altersangemessenen Entwicklungsschritte in seinem eigenen Tempo. Dieses Tempo wird nebst den regulären Reifungsprozessen durch das Zusammenspiel der sozialen, sensomotorischen und kognitiven Funktionen sowie durch sein Umfeld geprägt (Johnson, 2011). Während dieser Entwicklung sind in jeder Phase spezifische emotionale Bedürfnisse und Motivationen vorherrschend, welche das Verhalten prägen und gewisse Situationen als emotionale Überforderung erleben lassen, da lediglich ein bestimmtes Verhaltensrepertoire zur Verfügung steht (Sappok & Zepperitz, 2019). So ist beispielsweise ein Kind, welches umgangssprachlich in der «Trotzphase» ist (d. h. Autonomie und die damit verbundene Entdeckung des eigenen Willens sind zentral), emotional überfordert, die zahlreichen Regeln des sozialen Miteinanders im Kindergarten zu befolgen. Es kann darauf mit heftigen Wutausbrüchen reagieren. Oder ein anderes Kind, welches für seine emotionale Sicherheit die stete Anwesenheit einer Bezugsperson braucht, kann bei Kindergarteneintritt ohne Eingewöhnungsphase sowie enge Begleitung der Lehrperson Überforderung erleben.

Auch wenn die emotionale Entwicklung unter anderem durch die kognitiven Funktionen stimuliert wird, können der kognitive und der emotionale Entwicklungsstand voneinander abweichen. Diese Diskrepanzen in der kognitiven und emotionalen Entwicklung gibt es bei Kindern mit und ohne kognitive Beeinträchtigung. Bei Kindern mit kognitiven Beeinträchtigungen sind sie jedoch viel häufiger und die Diskrepanz kann viel ausgeprägter ausfallen. Kinder mit solchen kognitiv-emotionalen Entwicklungsdiskrepanzen zeigen mehr herausforderndes Verhalten als Kinder ohne Diskrepanzen (Böhm et al., 2018). Zudem fällt das herausfordernde Verhalten bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen umso ausgeprägter aus, je niedriger ihr emotionaler Entwicklungsstand ist. Insgesamt ist der Schweregrad des herausfordernden Verhaltens stärker durch den emotionalen Entwicklungsstand als durch das kognitive Funktionsniveau bestimmt (Sappok et al., 2014).

Nutzen der SEED im Alltag: zwei Stimmen aus der Praxis[2]

«Wenn ich das emotionale Entwicklungsalter eines Kindes kenne, kann ich besser abschätzen, welches Bedürfnis hinter dem Verhalten steht. Vor allem die Frage, ob ein Kind Sicherheit sucht oder Autonomie will, stellt sich auf meiner Unterrichtsstufe immer wieder. Meine Reaktion auf das gleiche Verhalten fällt dann je nach SEED-Einschätzung ganz anders aus. Wenn ich adäquat auf das Kind reagieren kann und es sich verstanden und wahrgenommen fühlt, kann unsere Beziehung wachsen. Die Beziehung zum Kind ist für mich eine ganz wichtige Basis. Ohne Beziehung geht nicht viel. Mir hilft es auch den Eltern zu erklären, dass ein Kind äusserlich zwar aussieht wie ein siebenjähriges Kind und klettern kann wie ein siebenjähriges Kind, aber innerlich noch ganz klein ist. Als ob innen noch ein zweijähriges Kind ist, mit dem man entsprechend umgehen muss. Wenn dadurch Stressfaktoren zu Hause wegfallen, hilft uns das auch in der Schule.» (A. N. Lehrperson Basisstufe Heilpädagogisches Zentrum)

«Die Einschätzung mit der SEED bringt uns in der Arbeit viele neue Erkenntnisse. Oftmals merken wir mit der Auswertung, dass es für die Kinder von der Entwicklung her gar nicht möglich ist, das Geforderte zu leisten. Wir konnten viele Inputs rasch umsetzen und die Kinder auf einer anderen Ebene abholen, was für die Kinder, aber auch im Team und in der interdisziplinären Arbeit eine grosse Entlastung mit sich brachte. Es entstehen ein viel besseres Verständnis und mehr Empathie für das Verhalten der Kinder, was für die Kinder eine grosse Erleichterung darstellt. Zudem führt dies zu mehr Geduld, Ruhe und Gelassenheit im Team. Das Kind fühlt sich besser verstanden, Eskalationen werden seltener oder sind weniger lang. Die Beziehung verändert sich positiv.» (M. W. Lehrperson Primarstufe Heilpädagogisches Zentrum)

Erfassung des emotionalen Entwicklungsstandes

Die Kenntnis des emotionalen Entwicklungsstandes kann zum Verständnis des vermeintlich normabweichenden Verhaltens von Schüler:innen und der adäquaten Reaktion der Lehrperson beitragen. Eine hilfreiche Möglichkeit der Erfassung des emotionalen Entwicklungsstandes geschieht mittels der wissenschaftlich validen Skala der Emotionalen Entwicklung – Diagnostik 2 (SEED-2) von Sappok et al. (2023), erschienen beim Verlag Hogrefe. Diese Skala basiert auf dem Phasenmodell der emotionalen Entwicklung (SEO-Modell) von Došen (1997). Dieser stützt sich in seinem Modell auf die zentralen verhaltensbasierten und neurobiologisch untermauerten Kenntnisse über die kindliche Entwicklung wie beispielsweise Objektpermanenz, Bindung und Mentalisierungsfähigkeit (eine schöne Übersicht bieten Sappok und Zepperitz [2019] in Kapitel 1). Entsprechend dem SEO-Modell wird der kontinuierliche Prozess der Entwicklung in der SEED-2 in die folgenden sechs Entwicklungsschritte eingeteilt, die dem emotionalen Referenzalter von null bis achtzehn Jahren entsprechen (Sappok & Zepperitz, 2019; Sappok et al., 2023):

Die Skala erfasst den emotionalen Entwicklungsstand mittels 240 binären Items (ja vs. nein). Die Erhebung erfolgt in einem semistrukturierten Interview, geführt durch die testleitende Person mit den beteiligten Lehrpersonen, Erzieher:innen, Therapeut:innen und bei Interesse auch Eltern. Das Interview dauert etwa 90 Minuten. Dabei fokussieren die Items auf das beobachtbare Verhalten in verschiedenen alltäglichen Situationen. Die Items lassen sich folgenden acht Domänen zuordnen, die jeweils einen spezifischen Teil der emotionalen Entwicklung beschreiben (Sappok et al., 2023):

  1. Umgang mit dem eigenen Körper: Entwicklung motorischer und sensorischer Funktionen
    Beispielitem: will körperliche Fähigkeiten mit anderen messen (Phase 5)
  2. Umgang mit Bezugspersonen: Kontaktaufnahme / Bindungssuche zu emotional bedeutsamen Bezugspersonen
    Beispielitem: protestiert bei Kontaktabbruch mit Bezugsperson (Phase 2)
  3. Umgang mit Umgebungsveränderung – Objektpermanenz: Umgang mit sich verändernder Umgebung in Abhängigkeit der Entwicklung der Objektpermanenz
    Beispielitem: löst sich in vertrauter Umgebung vom Übergangsobjekt (Phase 4)
  4. Emotionsdifferenzierung: Ausdruck unterschiedlicher sowie unterschiedlich komplexer Emotionen
    Beispielitem: zeigt Wut bei Begrenzung des eigenen Willens (Phase 3)
  5. Umgang mit Peers (Gleichrangigen): eigeninitiierter sowie reaktiver Kontakt
    Beispielitem: schenkt Peers keine Beachtung (Phase 1)
  6. Umgang mit der materiellen Welt: eigenmotivierter Umgang mit bestimmten Materialien und die Absicht dahinter
    Beispielitem: untersucht Materialien durch Kneten, Schlagen und Schütteln (Phase 2)
  7. Kommunikation: Bedürfnis, Bedeutung, Absicht und Motivation der Kommunikation mit Drittpersonen
    Beispielitem: kommuniziert nur über eigene Themen (Phase 3)
  8. Affektregulation: Regulation intensiver, überwiegend negativer Emotionen
    Beispielitem: äussert Aggression hauptsächlich verbal (Phase 5)

Ein einfaches Auszählen der binären Antworten dieser 240 Items ermöglicht es, ein emotionales Profil des Kindes zu erstellen. Der Entwicklungsstand für jede dieser acht Domänen wird separat einer der sechs Phasen zugeordnet. Aus diesen acht Einschätzungen lässt sich eine Gesamteinschätzung der aktuellen Entwicklungsphase vornehmen (Sappok et al., 2023).

Nebst der Gesamteinschätzung ist ein weiterer Nutzen der SEED-2 die Betrachtung der Ausprägungen der acht Domänen. Sie veranschaulichen das emotionale Entwicklungsprofil des Kindes und verdeutlichen, in welchen Bereichen und wie vermeintlich normabweichendes Verhalten mit den Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie erklärt werden kann. Daraus können Lehrpersonen ihre Verhaltens- und Handlungsimplikationen ableiten. Diese tragen dazu bei, das Kind entsprechend seiner emotionalen Bedürfnisse adäquat zu behandeln und zu fördern. Durch den damit einhergehenden Abbau von Überforderung kann sich das Verhalten des Kindes beobachtbar beruhigen.

Fallbeispiel «Timo»: Teil 2
Die SEED[4] ergab bei Timo im Alter von zehn Jahren eine Einschätzung des emotionalen Entwicklungsstandes in den Phasen 1 und 2 mit einem Referenzalter von 0–18 Monaten. Somit war Timos Verhalten nicht absichtlich provokativ, sondern ein Ausdruck seiner aktuellen Befindlichkeiten und Interessen (Lustprinzip). Die Fähigkeiten, eigene Bedürfnisse aufzuschieben, zu warten oder sich aus eigener Motivation an Regeln halten zu können, hatte Timo noch nicht entwickelt. Entsprechende Erwartungen der Lehrperson führten bei Timo zu Frustrationen, welche er auf der Handlungsebene ausagierte. Denn er besass unter anderem noch keine Verbalsprache, um eigene Bedürfnisse und Ablehnung auszudrücken.
Die Kenntnis des emotionalen Entwicklungsstandes von Timo ermöglichte es den Mitarbeitenden, sein Fühlen, Erleben und Handeln besser zu verstehen. Dies forderte für den Alltag einerseit eine Haltungsänderung der Mitarbeitenden gegenüber Timos Verhalten und andererseits konkrete pädagogische Anpassungen. So wird er beispielsweise von der Betreuungsperson als Letztes an den Tisch begleitet und die Mahlzeit in mehrere Sequenzen unterteilt, sodass er keine langen Wartezeiten hat. Zudem wurde anhand von Auswahlfragen zu verschiedenen Lebensmitteln geübt, wie er ja und nein anzeigen kann, um eigene Bedürfnisse ausdrücken zu können. Ebenso wurde mit ihm die Gebärde «fertig» als Zeichen von «Ich mag nicht mehr, ich bin fertig» einstudiert.
Eine Überprüfung von Timos emotionalem Entwicklungsstand mit 14 Jahren zeigte zwar keine Weiterentwicklung in diesem Bereich. Jedoch hatte sich das Wohlbefinden von Timo und auch der Mitarbeitenden deutlich verbessert. Mittlerweile konnten alle bewegungseinschränkenden Massnahmen aufgehoben und die psychopharmakologische Behandlung abgesetzt werden. Timo zeigt kein fremdverletzendes Verhalten mehr.

Fazit

Die Funktion des Verhaltens und damit die Beweggründe einer Person zu identifizieren, ist wesentlich im Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen. Menschliches Verhalten zielt teils bewusst, teils unbewusst auf die Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse ab. Hinter jedem Verhalten steckt folglich ein logischer Grund. Herausfordernde Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen mit kognitiver Beeinträchtigung lassen sich entsprechend ihrer meist deutlich erschwerten Entwicklungsbedingungen deshalb als folgelogisch bezeichnen (Heinze, 2022).

Sind sich Lehrpersonen der kognitiv-emotionalen Entwicklungsdiskrepanz bewusst und ist der emotionale Entwicklungsstand bekannt, können überfordernde und somit stressinduzierende Situationen eher vermieden werden. Zudem ist es den Lehrpersonen dadurch möglich, unter Berücksichtigung des emotionalen Entwicklungsstandes das Problemverhalten und das damit verbundene innere Erleben des Kindes besser zu verstehen. Sie können adäquat darauf reagieren und eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit des Kindes anstossen (Sappok & Zepperitz, 2019). Dadurch wird auch die Beziehung zwischen dem Kind und der Lehrperson gestärkt.

Die SEED-2 leistet einen wertvollen Beitrag dazu, die vom biologischen und kognitiven Entwicklungsalter abweichenden emotionalen Grundbedürfnisse zu erkennen und entwicklungsentsprechend zu begleiten (Sappok & Zepperitz, 2019).

Dr. Cécile Tschopp
Dozentin und Projektleiterin

F&E Institut für Diversität und inklusive Bildung & Masterstudiengang Schulische Heilpädagogik

Pädagogische Hochschule Luzern

cecile.tschopp@phlu.ch

Janine Hentrich
Eidg. anerkannte Psychotherapeutin

Heilpädagogisches Zentrum Hohenrain

janine.hentrich@edulu.ch

Literatur

Bangasser, D. A. & Shors, T. J. (2010). Critical brain circuits at the intersection between stress and learning. Neuroscience and Biobehavioral Reviews, 34 (8), 1223–1233. https://doi.org/10.1016/j.neubiorev.2010.02.002

Böhm, J., Dziobek, I. & Sappok, T. (2018). Emotionale Entwicklung, Aggressionsregulation und herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Intelligenzminderung. Fortschritte der Neurologie – Psychiatrie, 86, 1–7.

Došen, A. (1997). Psychische Störungen bei geistig behinderten Menschen. Fischer.

Heinze, M. (2022). Deeskalation in der Begleitung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. In S. Zepperitz (Hrsg.), Was braucht der Mensch? Entwicklungsgerechtes Arbeiten in Pädagogik und Therapie bei Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen. Hogrefe.

Johnson, M. H. (2011). Interactive specialization: a domain-general framework for human functional brain development? Developmental Cognitive Neuroscience, 1 (1), 7–21. https://doi.org/10.1016/j.dcn.2010.07.003

Koglin, U., Petermann, F., Jaščenokva, J., Petermann, U. & Kullik, A. (2013). Emotionsregulation und aggressives Verhalten im Jugendalter. Kindheit und Entwicklung 22 (3), 155–164. https://doi.org/10.1026/0942-5403/a000112

Liesen, C., & Luder, R. (2012). Forschungsstand zur integrativen und separativen schulischen Förderung von Schülerinnen und Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten. Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, 9, 11–18.

Sappok, T. (2018). Psychische Gesundheit und intellektuelle Entwicklungsstörung. Ein Lehrbuch für die Praxis. Kohlhammer.

Sappok, T., Budczies, J., Dziobek, I., Bölte, S., Došen, A. & Diefenbacher, A. (2014). The missing link: delayed emotional development predicts challenging behavior in adults with intellectual disability. Journal of autism and developmental disorders, 44 (4), 786–800. https://doi.org/10.1007/s10803-013-1933-5

Sappok, T. & Zepperitz, S. (2019). Das Alter der Gefühle. Über die Bedeutung der emotionalen Entwicklung bei geistiger Behinderung (2. Aufl.). Hogrefe.

Sappok, T., Zepperitz, S., Barrett, B. F. & Došen, A. (2018). Skala der Emotionalen Entwicklung – Diagnostik. Hogrefe.

Sappok, T., Zepperitz, S., Morisse, F., Barrett, B. F. & Došen, A. (2023). Skala der Emotionalen Entwicklung – Diagnostik 2. Hogrefe.

Schaarschmidt, U. (Hrsg.). (2005). Halbtagsjobber? Psychische Gesundheit im Lehrerberuf. Analyse eines veränderungsbedürftigen Zustandes. Beltz.

Skalická, V., Stenseng, F. & Wichstrøm, L. (2015). Reciprocal relations between student–teacher conflict, children’s social skills and externalizing behavior: A three-wave longitudinal study from preschool to third grade. International Journal of Behavioral Development, 39 (5), 413–425. https://doi.org/10.1177/0165025415584187

  1. Diese und die folgenden Ausführungen können auch auf Betreuungspersonen übertragen werden.

  2. Die Praxisstimmen beziehen sich auf die Nutzung des analogen Vorgängerinstruments SEED (Sappok et al., 2018), da uns zum Zeitpunkt der Beitragsverfassung noch keine Praxisstimmen zur SEED-2 vorlagen.

  3. In Klammern sind die Entwicklungsschritte und -ziele sowie das Referenzalter zu den sechs Phasen aufgeführt.

  4. Zum Zeitpunkt der Untersuchung von Timo wurde das analoge Vorgängerinstrument SEED (Sappok et al., 2018) verwendet, in dem die sechste Phase (13. – 18. Lebensjahr) noch nicht berücksichtigte wurde.