DOI: https://doi.org/10.57161/z2023-07-00
Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 29, 07/2023
Beim Begriff der Inklusion, wie er in der Behindertenrechtskonvention gebraucht wird, «[…] geht es nicht mehr um die Integration von ‹Ausgegrenzten›, sondern darum, von vornherein allen Menschen die uneingeschränkte Teilnahme an allen Aktivitäten möglich zu machen.»[1] Wenn Inklusion konsequent gedacht wird, dann muss sie von vornherein stattfinden – also von Anfang an.
Durch den Besuch einer Kindertageseinrichtung befinden sich Kinder mit einer Beeinträchtigung in einer Umgebung, in der sie mit anderen Kindern interagieren, lernen und spielen können. Die Kinder können soziale Fähigkeiten entwickeln und Freundschaften schliessen. Sie lernen, mit anderen Kindern zu kommunizieren, Konflikte zu lösen und sich in einer Gruppe zurechtzufinden. Sie erwerben wichtige Fähigkeiten wie das Teilen, das Zuhören und das Befolgen von Anweisungen, die ihnen den Start in die Schule erleichtern können. Auch für die Kinder ohne Beeinträchtigung ist dies eine Chance. Sie lernen von klein auf, dass Unterschiede normal sind und dass jeder Mensch einzigartig ist. Dies fördert eine inklusive Gesellschaft, in der Vielfalt geschätzt wird.
Damit Inklusion im Frühbereich gelingen kann, sind verschiedene Veränderungen notwendig: Es braucht zuerst einen Grundsatzentscheid. Das heisst, die Institutionen im Frühbereich müssen bereit sein, den Zugang für alle Kinder zu gewähren. Idealerweise erarbeiten die Kindertageseinrichtungen ein entsprechendes Konzept, in dem sie klären, auf welche Mittel und Ressourcen die Fachpersonen zurückgreifen können. Es hat sich bewährt, dass Heilpädagog:innen vor Ort ihr Wissen und Know-how einbringen.
Inklusion gelingt mit der richtigen Haltung: Erst wenn sich die einzelnen Fachpersonen genügend getragen und unterstützt fühlen, können sie eine inkludierende Haltung entwickeln und Vielfalt als Bereicherung ansehen. Offenheit und ein wertschätzendes Menschenbild sind zentrale Voraussetzungen.
Die Beiträge dieser Ausgabe vermitteln viele Gelingensbedingungen, damit Partizipation möglich wird; sei es auf der Ebene der Konzeptentwicklung, des Erarbeitens einer inkludierenden Haltung, der materiellen Rahmenbedingungen oder auf der Ebene ganz konkreter Ideen, wie der Alltag in einer Kindertageseinrichtung inklusiv gestaltet werden kann.
«Inklusion wird häufig als Vision verstanden, in deren Richtung die Gesellschaft sich entwickeln soll. Die Gleichwertigkeit und die Unterschiedlichkeit der Menschen finden ihren Platz, die Vielfalt ist Normalität.»[2] Die Beiträge dieser Ausgabe sollen dazu anregen, am Gelingenden anzuknüpfen, damit Inklusion von Anfang an keine Vision bleibt und eine logische Konsequenz ist. Der Besuch einer Kindertageseinrichtung kann dazu beitragen, dass Kinder mit einer Beeinträchtigung – und auch ihre Eltern – sich in ihrer Entwicklung unterstützt und inkludiert fühlen.
Silvia Schnyder Wissenschaftliche Mitarbeiterin SZH/CSPS |