Ein inklusiver Ansatz für Kindertagesstätten
Zusammenfassung
Mit dem Konzept von Emmi Pikler liegt ein erfahrungs- und forschungsbasiertes Konzept für die Altersgruppe der Säuglinge bis Dreijährigen vor. Bedeutsam für die Inklusion sehr junger Kinder wird das Konzept durch die Zusammenführung von Pflege, Bewegung, Spiel sowie Welt- und Selbsterfahrung. Schon früh wurden in der Konzeptentwicklung Kinder mit Beeinträchtigungen mitgedacht. Anpassungen und Ergänzungen, die vorgenommen werden (müssen), folgen dabei immer den Grundprämissen nach dem Erleben von Selbstwirksamkeit und Autonomie sowie dem Aufbau einer Beziehung zu einer Bezugsperson. Das Pikler-Konzept gibt insbesondere für die Gestaltung und Organisation des Alltags in inklusiven Kindertagesstätten wertvolle Hinweise.
Résumé
Le concept d'Emmi Pikler est une approche basée sur l'expérience et la recherche s’adressant aux nourrissons et aux enfants jusqu'à l’âge de trois ans. L'importance de ce concept pour l'inclusion des très jeunes enfants réside dans la combinaison des soins, du mouvement, du jeu ainsi que de la découverte du monde et de soi. Les enfants en situation de handicap ont été pris en compte dans le développement du concept dès le départ. Les adaptations et les compléments qui sont (ou doivent être) apportés suivent toujours les prémisses de base, à savoir l'expérience de l'efficacité personnelle et de l'autonomie ainsi que la construction d'une relation avec une personne de référence. Le concept de Pikler donne des indications précieuses, notamment pour la conception et l'organisation du quotidien dans les crèches inclusives.
Keywords: Inklusion, Heterogenität, Förderung, Autonomie, Selbstwirksamkeit, Kindertagesstätten / inclusion, hétérogénéité, encouragement, autonomie, auto-efficacité, services d’accueil de jour
DOI: https://doi.org/10.57161/z2023-07-05
Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 29, 07/2023
Die Kinderärztin Emmi Pikler (1902–1984) entwickelte in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts in Ungarn ein Konzept der Säuglings- und Kleinkindpädagogik, das heute weltweit beachtet wird (www.piklerinternational.com/de/liste-der-mitglieder). Es hat seinen Ursprung in der Familien- und Heimerziehung und wurde ab dem Jahr 2006 auf die Erziehung in Kindertagesstätten ausgeweitet. Der Pikler-Ansatz ist sowohl ein theoretisches Konzept als auch eine praktische Pädagogik. Beide Teile wurden in enger Wechselwirkung entwickelt und durch Forschungen zur frühkindlichen Entwicklung fundiert (z. B. Falk & Aly, 2008; Kálló & Balog, 1996; Pikler, 2018; Pikler & Tardos, 1997; Tardos, 2015; Vincze, 1971; Vincze, 1992).
Gaus und Drieschner (2020) zufolge handelt es sich beim Ansatz von Emmi Pikler wissenschaftstheoretisch um ein pädagogisches Handlungskonzept. Konzepte geben Antworten auf «für Pädagoginnen und Pädagogen notwendig zu beantwortende Fragen nach dem Was, Warum und Wie pädagogischer Arbeit» (Schmidt et al., 2021, S. 7) und sind im Überschneidungsbereich zwischen wissenschaftlichen Theorien und professionell ausgerichteten Handlungssystemen verortet (Gaus & Drieschner, 2020).
Das Pikler-Konzept beruht auf einem umfassenden Vertrauen in die Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten der Kinder. Autonomie wird dabei als Weg, Ziel und grundlegendes Bedürfnis der Kinder gesehen. Die Gleichsetzung von Autonomie und Unabhängigkeit widerspricht dagegen dem Gedanken des Konzeptes. Autonomie ohne Vertrauen in die Entwicklungsmöglichkeiten und das Entwicklungspotenzial der Kinder ist dabei ebenso wenig möglich wie das Leben der Autonomie durch die Kinder ohne deren Vertrauen zu Erwachsenen, die ihnen Raum, Zeit und Sicherheit geben. So sind die Begriffe Vertrauen und Autonomie als zusammenhängend zu betrachten. Sie fundieren das Entwicklungsverständnis des piklerschen Ansatzes mit dem beidseitigen Bedürfnis nach Kooperation als Bindeglied (Wieczorek, 2022).
Die autonome Bewegungs- und Spielentwicklung wird als grundlegendes Bedürfnis und als Kompetenz zugleich von Geburt an gesehen (Pikler, 2018; Tardos, 2015). Komplementär gilt das Angebot einer «privilegierten emotionalen, reichen, signifikanten, dauerhaften und stabilen Beziehung» (Tardos & David, 2015, S. 183) als wesentlich. Die Wechselwirkung dieser beiden Grundprinzipien wird im Pikler-Konzept deutlich herausgearbeitet. Kinderärztin Maria Vincze, langjährige Mitarbeiterin im Pikler-Institut, formuliert als Arbeitsaufgabe für die Erwachsenen: «Den Kindern eine emotionale Sicherheit zu bieten, die es ihnen ermöglicht, ein aktives Leben zu führen – sich zu bewegen, zu spielen, zu sprechen und die Welt mit Neugier und Mut zu erkunden» (Vincze 2007, S. 66).
Diese Grundprämissen haben Auswirkungen auf das Verhalten der Erwachsenen und auf die Strukturierung des Alltags in Kindertagesstätten. Die Erwachsenen greifen nicht direkt in die Bewegung der Kinder oder in ihr Spiel ein. Sie geben ihnen vielmehr Zeit und Raum. Dies ermöglicht es den Kindern, unabhängig und frei nach ihren Vorstellungen zu handeln und dabei selbstreguliert zwischen «grossmotorischer» Tätigkeit und Hantieren zu wechseln (Pikler, 2018).
Die Organisation des Alltags bildet den Rahmen, der den Grundprinzipien folgt und sie zugleich ermöglicht. Der Tag wird so gestaltet, dass sowohl genügend Zeit für den Austausch mit den Bezugspersonen bei der Pflege (Essen, Wickeln, Anziehen etc.) als auch ausreichend Zeit für aktives, unabhängiges Wachsein im freien Spiel und in Bewegung sowie für Ruhe und Schlaf vorhanden ist.
Eine besondere Rolle im Alltag nehmen die Pflegesituationen ein. In diesen exklusiven Situationen wird Beziehung gestaltet, weshalb sie einer besonderen Beachtung im Tagesablauf bedürfen. Die Pflege ist gekennzeichnet durch den Respekt vor der Initiative und den Reaktionen des Kindes sowie durch die Bedeutung der Zusammenarbeit im gemeinsamen Interesse.
Die interessierte erwachsene Person beobachtet kontinuierlich, was die Grundlage ist, um den Alltag zu gestalten und an die Kinder anzupassen. Ohne ein kontinuierliches Kennenlernen jedes einzelnen Kindes verlieren die anderen Grundprinzipien ihre Bedeutung. Zur Unterstützung entwickelten Pikler und ihre Mitarbeiter:innen Instrumente wie Fragenkataloge und Beobachtungsbögen (Falk & Aly, 2008).
Mit den Begriffen Erziehung, Bildung und Betreuung wird der umfassende Auftrag von Kindertagesstätten beschrieben. «So geläufig die Trias von Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes ist, so unterschiedlich ist die Stellung der einzelnen Begriffe innerhalb der Kindheitspädagogik» (Staege, 2022, S. 74) und innerhalb der einzelnen Konzepte der Pädagogik der frühen Kindheit. Die Professorin für frühkindliche Bildung Roswitha Staege (2022) spricht generell von einer Vernachlässigung der Erziehung und Betreuung zugunsten von Bildung. Im Konzept von Emmi Pikler finden sich alle drei Bestandteile, wenn auch in abweichender Terminologie. Der Begriff der Betreuung ist durch die Hervorhebung der Pflegesituationen und der Ausgestaltung des Kontakts, der Beziehung zwischen Kind und Erwachsenem beschrieben (siehe dazu auch Papenkort, 2015).
Die Aufgaben der Erziehung werden unter dem Begriff des «sozialen Lernens» gefasst. Tardos und Werner (2011a, S. 17) betonen: «Die Frage lautet nicht, ob wir den Kindern durch erzieherische Führung soziale Orientierung geben, sondern auf welche Weise wir es tun […] Den sozialen Lernprozess so zu unterstützen, dass es zwischen den persönlichen Wünschen des Kindes und den Erwartungen der Gemeinschaft zu einem konstruktiven Ausgleich kommt, ist eine konkrete, zielgerichtete Erziehungsarbeit in der Verantwortung der Erwachsenen.»
Der Begriff der Bildung ist in den Originalschriften des Pikler-Instituts nicht zu finden. Eine aktuelle Analyse der Schriften und unveröffentlichtes Archivmaterial aus dem Pikler-Institut in Budapest belegen jedoch deutlich, dass der Bildungsbegriff ebenso wie die anderen Grundmotive ausformuliert ist (Wieczorek, 2022). Das dem Begriff der Bildung assoziierte Grundprinzip wird von David und Appell (1995, S. 29) beschrieben mit der Notwendigkeit, «beim Kind die bewusste Wahrnehmung seiner selbst und seiner Umwelt zu fördern». Welt- und Selbsterfahrung werden in einem engen Zusammenhang gesehen und beginnen mit den Erfahrungen in der Pflege und in der freien Aktivität in Spiel und Bewegung. Ein gezieltes Vermitteln, Anleiten oder Üben vorgegebener Aufgaben gehört ebenso wenig zur Angebotsstruktur wie Gruppenangebote für alle Kinder zur selben Zeit (Wieczorek, 2022).
Stimmen Entwicklungs-, Bildungs- und Förderverständnis in ihren Grundüberzeugungen nicht überein, so wird dies im gelebten Alltag den Kindern über Interaktions- und Kommunikationsprozesse erfahrbar. Das kann – insbesondere bei sehr jungen und irritierbaren Kindern – über das Erleben unklarer Botschaften zu Dissonanzen in ihrer Entwicklung führen (Kelle & Mierendorff, 2013).
Die erfahrungs- und forschungsbasierten Überlegungen von Pikler bieten ein Konzept, in dem Pflege, Bewegungs- und Spielentwicklung, Welt- und Selbsterfahrung unter einer Grundhaltung zusammengeführt werden: Der Respekt vor den Kompetenzen des Kindes und die Anerkennung der Gleichwertigkeit von freier Aktivität und Beziehung prägen die erzieherische Haltung im Pikler-Konzept und durchziehen alle Tätigkeiten des Alltags. Dies gibt den Kindern Sicherheit und ermöglicht Entwicklung und Lernen.
Die in den verschiedenen Institutionen entwickelten Grundüberzeugungen wurden von Anfang an in ihrer praktischen Umsetzung auch für heterogene Gruppen mitgedacht. So beschäftigte sich Judith Falk, Kinderärztin und Mitarbeiterin von Emmi Pikler, ausführlich mit der Begleitung von Kindern mit Beeinträchtigungen (Falk & Aly, 2008). Ein methodologischer Ratgeber des Pikler-Instituts widmete sich zudem explizit dem Alltag in heterogenen Gruppen (Morvái Nagy, 2017). Die leitende Frage auch im inklusiven Kontext lautet: Wie können die in der Pikler-Pädagogik als wichtig erachteten Bedingungen für alle Kinder am besten gewährleistet werden? Unter Beachtung und Gewährung der allgemeinen pädagogischen Grundsätze braucht es möglicherweise spezifische Anpassungen hinsichtlich der Organisation des Raums, der Struktur, des Materials, des Kontakts und des Tagesablaufs unter Berücksichtigung der jeweiligen Wahrnehmungs-, Verarbeitungs- und Handlungsmöglichkeiten des einzelnen Kindes (Falk & Aly, 2008).
Die Grundprinzipien des Konzepts finden sich in der Pikler®-Konvention «Für die Rechte der Kinder in der Krippe» wieder. Im Folgenden werden exemplarisch Aspekte der Umsetzung der Grundprinzipien in heterogenen, inklusiven Gruppen dargestellt.
Jedes Kleinkind, das in die Krippe geht, hat das Recht, ausreichende und geeignete Möglichkeiten zu bekommen, um selbständig aktiv zu sein, sich durch freies Spiel und freie Bewegung entwickeln zu können, aus eigener Initiative seine Umwelt zu erfahren und dabei vom Erwachsenen mit Interesse begleitet zu werden (§7, Pikler®-Konvention).
Voraussetzung dafür ist eine entwicklungsangemessene Raumgestaltung, die sich durch anregende Spiel- und Bewegungsmaterialien, ausreichend Platz zum selbstständigen Experimentieren im Spiel und Erproben der eigenen Bewegungs- und Fortbewegungsmöglichkeiten, Positionen, Positionswechseln und Bewegungsübergänge auszeichnet. In Anlehnung an Vincze (2007, S. 66) geht es darum, den Kindern «die für ihren Schutz und ihre Entwicklung notwendige Umgebung zu schaffen, die auf ihrer Kompetenz und innerer Aktivität aufbaut». Die Auswahl der Materialien setzt eine gute Kenntnis der Gruppe und des einzelnen Kindes voraus (Aly & Werner, 2015). Die Erwachsenen schaffen Bedingungen, damit sich Kinder mit unterschiedlichen Spiel- und Bewegungskompetenzen nicht gegenseitig gefährden oder in ihren Aktivitäten behindern.
Um Autonomieerfahrungen im Spiel zu ermöglichen, benötigen die Kinder Rahmenbedingungen, die ihnen ein vertieftes Spiel ermöglichen. Die Auswahl der Spielgegenstände orientiert sich an den entwicklungs- und inhaltsbezogenen Spielthemen der Kinder. Hier sind unter anderem Entscheidungen zu treffen über die Menge des Spielmaterials, die Vielfalt, die Erreichbarkeit der Spielgegenstände für die einzelnen Kinder auch in Abhängigkeit von ihren «grossmotorischen» Fähigkeiten oder die Anordnung der Materialien im Raum. Offene Spielgegenstände erleichtern das Verwirklichen verschiedener Spielthemen.
Erwachsene begleiten die Kinder im Spiel als interessierte, wohlwollende Beobachter:innen, ohne zu dominieren oder die Aufmerksamkeit zu stören. Es gilt abzuwägen, wie häufig, zeitnah und durch Sprache begleitet ein Kind sich in seinem Tun wahrgenommen fühlen muss.
Jedes Kleinkind, das in die Krippe geht, hat das Recht auf Kontinuität und Stabilität seiner persönlichen Beziehungen, seiner Lebensumstände, der dinglichen Umwelt sowie darauf, dass die Ereignisse des Tagesablaufs vorhersehbar und transparent sind. Es hat das Recht, dass es auf seine Umwelt einwirken und sie mitgestalten kann, um auch so ein positives Bild von sich selbst zu entwickeln (§5, Pikler®-Konvention).
Die Kindertagesstätte stellt an alle Säuglinge und Kleinkinder spezifische Aufgaben. Sie müssen sich an die «Ordnung der Einrichtung […] gewöhnen, an die Ordnung der sich wechselnden Ereignisse, Gewohnheiten, Verhaltensregeln» (Tardos, 2021, S. 7). Hierzu ist es notwendig, eine für die Kinder greifbare Ordnung in Raum und Zeit zu schaffen. Es wird der Frage gefolgt: Wie wird die Ordnung, die Struktur einer Einrichtung für das Kind erfahrbar? Wie kann es durch die Struktur Sicherheit erfahren? Allgemein wird die Antwort in stabilen, vorhersehbaren Regelmässigkeiten und in einem orientierungsgebenden Verhalten der Erwachsenen gesehen.
Je nach Kind können hier mehr bewusste Anstrengungen erforderlich sein, damit ein Kind sich in Zeit, Raum und Beziehungen einleben kann, damit es seine eigene Ebene des Verstehens finden und Übergangssituationen zwischen Aktivitäten gut bewältigen kann. Hinzu kommen nicht zuletzt individuelle Anpassungen, bei denen der Tagesablauf und der Wechsel zwischen den Aktivitäten auf die Bedürfnisse und aktuellen Befindlichkeiten des einzelnen Kindes abgestimmt werden. So entstehen individuelle Tagesabläufe, die sich in die Gesamtstruktur des Tages einfügen. Um diese individuellen Tagesabläufe gewährleisten zu können, ist wiederum eine durchdachte Organisation die Voraussetzung. «Ohne entsprechende gute organisatorische Bedingungen wird der Erwachsene leicht dazu neigen, die Gruppe nur als Gruppe vor Augen zu haben. Die Kinder werden dann bloß als Teil der Gruppe und nicht individuell wahrgenommen» (Tardos, 2021, S. 8).
Jedes Kleinkind, das in die Krippe geht, hat das Recht, bei der Erfüllung seiner körperlichen Bedürfnisse in der Pflege persönliche Fürsorge ohne Hast und Eile zu erfahren (§4, Pikler®-Konvention).
Handlungsleitend ist die Frage, wie Kinder in der Pflegesituation Selbstwirksamkeit und freudvolles Beisammensein erleben können. Der Aspekt der Kooperation macht ihre besondere Qualität aus. Die Pflege kann nach den Kriterien von Pikler eine für beide Seiten bereichernde Situation sein, in der das Kind mit der Erzieherin über die gemeinsame Tätigkeit in einen persönlichen Austausch kommt, in der es seinen Körper aktiv erlebt, Kulturtechniken schrittweise erlernt, auf unterschiedliche Weise kommuniziert und im Dialog mit dem Erwachsenen viele Informationen, weit über die Pflege hinaus, empfängt. Im Austausch mit der Erzieherin differenziert sich das Wissen des Kindes über sich und seine persönlichen Eigenheiten weiter aus, es erhält durch sein Gegenüber Botschaften über sich und lernt sich selbst immer besser kennen (Tardos & Werner, 2011b, S. 51).
Hierzu bedarf es Zeit zum Verstehen, zum Wahrnehmen der noch so kleinen Signale des Kindes und für das Antwortverhalten der Erwachsenen im Rhythmus des Kindes: «Eile verarmt das Beisammensein» (Tardos, 2021, S. 8). In der Pflege folgen alle Erwachsenen einer gleichen Pflegechoreografie. Diese feste, aber in sich flexible Choreografie gibt dem Kind Sicherheit. Durch individuelle Abstimmungen entstehen persönliche, individualisierte Pflegeskripte. Innerhalb der Pflegechoreografie ist es letztlich das Kind selbst, das entscheiden kann, in welcher Position und in welchem Tempo und Rhythmus die Pflege stattfindet, über welche Themen gesprochen wird und welche persönlichen Rituale entstehen. Beide, der Erwachsene und das Kind, schaffen einen gemeinsamen Aufmerksamkeitsraum, in dem das Kind wahrnehmen kann, was geschehen wird. Es kann sich auf die Handlung einstellen und sich mit seinen Möglichkeiten beteiligen. Pflege im Sinne Piklers ist ein gemeinsamer Dialog: Ein differenziertes Wahrnehmen der verbalen und nonverbalen Äusserungen, ein gleicher Ablauf, zuverlässige Ankündigungen und sprachliche Begleitung auf der Verstehensebene des einzelnen Kindes ermöglichen dem Kind, die Abläufe zunehmend zu antizipieren und sich aktiv zu beteiligen.
Die Überlegungen von Pikler bieten Ansätze, um den jeweils individuellen Alltag in Kindertagesstätten anzupassen. Das Konzept ist nicht als Modell zu verstehen, sondern stellt erfahrungs- und forschungsbasiertes Wissen zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung, die sich im inklusiven Alltag ergeben.
Prof. Dr. Marion Wieczorek Pädagogik/Didaktik in der Fachrichtung körperliche und motorische Entwicklung PH Ludwigsburg |
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