Wie zugänglich sind Hilfsangebote für gewaltbetroffene Menschen mit Behinderungen?

Seraina Caviezel Schmitz und Paula Krüger

Zusammenfassung
Menschen mit Behinderungen sind besonders stark gefährdet, Gewalt in verschiedenen Kontexten zu erfahren. Für die Prävention und Intervention spielen barrierefreie und niederschwellig zugängliche Hilfsangebote eine zentrale Rolle. Im Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EGBG) haben wir die Zugänglichkeit von Hilfsangeboten für gewaltbetroffene Menschen mit Behinderungen untersucht. Im Beitrag stellen wir ausgewählte Ergebnisse der Studie vor.[1]

Résumé
Les personnes en situation de handicap sont particulièrement à risque de subir des violences dans différents contextes. Les offres d’aide facilement accessible jouent un rôle central dans la prévention et l’intervention. Sur mandat du Bureau fédéral de l'égalité pour les personnes handicapées (BFEH), nous avons étudié l'accessibilité des offres d'aide pour les personnes en situation de handicap victimes de violence. Dans cet article, nous présentons une sélection des résultats de l'étude.

Keywords: Behinderung, Gewalt, Hilfsangebote, Prävention / handicap, violence, offres de soutien, prévention

DOI: https://doi.org/10.57161/z2023-06-06

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 29, 06/2023

Creative Common BY

Ausgangslage

Menschen mit Behinderungen sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, Opfer verschiedener Gewaltformen zu werden (z. B. psychische, sexuelle, strukturelle Gewalt, digitale Formen von Gewalt) (z. B. Schröttle et al., 2021). Sie haben ein Recht auf Schutz vor und Unterstützung bei Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen (BRK; BehiG; Istanbul-Konvention). In der Schweiz stehen verschiedene Hilfsangebote für gewaltbetroffene Menschen allgemein und gewaltbetroffene Menschen mit Behinderungen im Besonderen zur Verfügung. Verschiedene Studien zeigen jedoch, dass Hilfsangebote wie Opferhilfestellen oder Schutzunterkünfte für Gewaltbetroffene häufig nicht barrierefrei und niederschwellig zugänglich sind für Menschen mit Behinderungen (z. B. Kunz, 2016; Müller et al., 2021; Stern et al., 2014). Darüber hinaus erachten sich Fachpersonen zum Teil nicht als zuständig für gewaltbetroffene Menschen mit Behinderungen und/oder sie sind nur selten auf die Bedürfnisse dieser Gruppe eingestellt (z. B. AG Prävention, 2021; Krüger et al., 2020). Auch fühlen sich Betroffene teilweise nicht ernstgenommen von Fachpersonen (Avanti Donne, 2021). Dies weist auf den Bedarf an niederschwellig und barrierefrei zugänglichen Hilfsangeboten für gewaltbetroffene Menschen mit verschiedenen Behinderungen hin. Da Studien bisher auf ausgewählte Gewaltformen, bestimmte Hilfsangebote und/oder bestimmte Behinderungsformen fokussierten, fehlte eine umfassende Analyse der Zugänglichkeit verschiedener Typen von Hilfsangeboten für gewaltbetroffene Menschen mit verschiedenen Behinderungen. Vor diesem Hintergrund gab das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) in Erfüllung des Postulats 20.3886 (Roth)[2] das Projekt «Sicherstellung eines niederschwelligen und barrierefreien Zugangs zu Hilfsangeboten für Menschen mit einer Behinderung» in Auftrag. Das Projekt verfolgte drei Ziele:

  1. eine typologische Übersicht der vorhandenen Hilfsangebote schaffen
  2. die Zugänglichkeit zentraler Hilfsangebote untersuchen
  3. Verbesserungspotenzial aufzeigen

Dabei wurden sowohl öffentlich zugängliche Hilfsangebote wie Opferhilfestellen als auch Präventions- und Meldestellen in Einrichtungen der Behindertenhilfe berücksichtigt.

Methodisches Vorgehen

In der Studie wurden qualitative und quantitative Forschungsmethoden kombiniert (Mixed-Methods-Design; Kuckartz, 2014). Wir haben eine Literaturrecherche und -analyse durchgeführt sowie qualitative Einzelinterviews und Fokusgruppen mit Fachpersonen verschiedener Hilfsangebote (= 13 Personen) und gewaltbetroffenen Menschen mit Behinderungen (= 5 Personen). Auf Grundlage dieser qualitativen Studienteile haben wir zentrale Aspekte für einen niederschwelligen und barrierefreien Zugang zu Hilfsangeboten für Menschen mit Behinderungen identifiziert. Diese haben wir vier Dimensionen zugeordnet:

  1. Trägerschaft und finanzielle Ressourcen
  2. das Angebot selbst
  3. Gebäude, Räumlichkeiten sowie Informationsmaterialien und -medien
  4. die Mitarbeitenden der Organisationen

Abbildung 1 gibt einen Überblick über die vier Dimensionen und den ihnen zugeordneten Aspekten von Zugänglichkeit. Diese Systematik diente anschliessend als Grundlage für die Erstellung eines halbstandardisierten Fragebogens. Den Fragebogen haben wir einrichtungsexternen Hilfsangeboten[3] vorgelegt, um zu erfassen, wie zugänglich sie für gewaltbetroffene Menschen mit Behinderungen sind. An dieser anonymen Onlineumfrage haben insgesamt 119 einrichtungsexterne Hilfsangebote (wie Opferhilfestellen oder Fachstellen für Sexuelle Gesundheit) teilgenommen (Ausschöpfungsquote: 31 %). Drei Viertel dieser Angebote sind in der Deutschschweiz angesiedelt, knapp ein Fünftel in der Westschweiz und die übrigen Angebote im Tessin. Mehrheitlich handelt es sich um Organisationen mit privater Trägerschaft, die zum Teil staatliche Subventionen erhalten (Krüger et al., 2022).

Abbildung 1: Wesentliche Aspekte eines barrierefreien und niederschwelligen Zugangs zu Hilfsangeboten für gewaltbetroffene Menschen mit Behinderungen (nach Krüger et al., 2022, S. 23).

Die Abbildung zeigt die wesentlichen Aspekte eines barrierefreien und niederschwelligen Zugangs zu Hilfsangeboten für gewaltbetroffene Behinderungen. Diese Aspekte sind die Mitarbeiter:innen, die Trägerschaft und finanzielle Ressourcen, das Angebot selbst sowie das Gebäude, Räumlichkeiten, Informationsmaterialien/-medien.

Ausgewählte Ergebnisse

Zunächst werden kurz die identifizierten Typen von Hilfsangeboten für gewaltbetroffene Menschen mit Behinderungen beschrieben. Danach folgen ausgewählte Ergebnisse aus der Umfrage zur Zugänglichkeit einrichtungsexterner Hilfsangebote, zusammengefasst entlang der herausgearbeiteten Aspekte von Zugänglichkeit (vgl. Abb. 1).

Typologie von Hilfsangeboten für gewaltbetroffene Menschen mit Behinderungen

Die bestehenden Hilfsangebote können verschiedenen Typen zugeordnet werden. Die Zuteilung hängt davon ab, ob die Hilfsangebote (1) auf Gewalt spezialisiert sind, ob sie (2) auf Menschen mit Behinderungen spezialisiert sind und ob sie (3) öffentlich zugänglich oder in Einrichtungen der Behindertenhilfe angesiedelt sind. Anhand dieser Dimensionen lassen sich die untersuchten Hilfsangebote den folgenden vier Typen zuordnen:

Zugänglichkeit von einrichtungsexternen Hilfsangeboten

Die befragten Hilfsangebote sind nicht nur unterschiedlich ausgerichtet, sie sind auch unterschiedlich gut zugänglich für gewaltbetroffene Menschen mit Behinderungen. Ein grundlegendes Problem insbesondere mit Blick auf die allgemeinen und gewaltspezifischen einrichtungsexternen Angebote ist deren mangelnde Bekanntheit bei der Zielgruppe gewaltbetroffene Menschen mit Behinderungen. So gab die Mehrheit der befragten Fachpersonen in allgemeinen und gewaltspezifischen Angeboten an, ihnen sei bewusst, dass ihre Angebote bei gewaltbetroffenen Menschen mit Behinderungen zu wenig bekannt seien. Ein Grund hierfür ist vermutlich, dass sich die Angebote in ihrer Öffentlichkeitsarbeit kaum an Menschen mit Behinderungen richten. Sie sind als Zielgruppe dieser Angebotstypen nicht sichtbar, was sich wiederum erklären lässt mit dem Selbstverständnis der Angebote und einer mangelnden intersektionalen Perspektive. Beispielsweise richten sich Angebote explizit an gewaltbetroffene Frauen oder Kinder, ohne zu berücksichtigen, dass diese auch eine Behinderung haben können. Im Gegensatz dazu fehlt bei den behinderungsspezifischen Angeboten häufig das Bewusstsein dafür, dass viele Personen ihrer Zielgruppe Gewalt in verschiedenen alltäglichen Situationen erleben. Zu ihren Klient:innen dürften daher auch gewaltbetroffene Menschen mit Behinderungen zählen. Deswegen ist es wichtig, dass auch Mitarbeitende von behinderungsspezifischen Angeboten in der Lage sind, das Thema Gewalt anzusprechen und die Betroffenen an geeignete Stellen weiterzuleiten.

Die mangelnde Bekanntheit der Angebote hängt auch mit der unzureichenden Zugänglichkeit von Informationen zum Angebot sowie zum Thema Gewalt zusammen. So werden, unabhängig vom Angebotstyp, die zur Verfügung stehenden barrierefreien Möglichkeiten der Bekanntmachung von Angeboten noch wenig genutzt: Beispielsweise werden kaum Videos (mit oder ohne Untertitel) zur Informationsvermittlung produziert. Bei der Gestaltung von Webseiten wird zudem kaum darauf geachtet, dass nicht zu viele verschiedene visuelle Reize oder zu kleine Buttons verwendet werden. Insgesamt sind die Informationen schlechter zugänglich für Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen, Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen sowie für Menschen mit Mehrfachbehinderungen als beispielsweise für Menschen mit kognitiven Behinderungen. Auf ihre Bedürfnisse haben sich einige Hilfsangebote bereits besser eingestellt. So stellen sie zum Beispiel Materialien in Leichter oder vereinfachter Sprache zur Verfügung.[4] Dabei müssen die Hilfsangebote nicht zwingend selbst über das notwendige Wissen und die Fähigkeiten verfügen. Um Informationen für Menschen mit verschiedenen Behinderungen zugänglicher zu machen, können sie auf vorhandene Kompetenzen von Interessensvertretungen für Menschen mit Behinderungen zurückgreifen. Materialien können zum Beispiel durch das Büro Leichte Sprache von Pro Infirmis Zürich oder dasjenige des Wohnwerks Basel übersetzt werden. Sonos, der Schweizerische Hörbehindertenverband, unterstützt bei der Produktion von barrierefreien Videos in Gebärdensprache.

Doch auch wenn die Angebote gewaltbetroffenen Menschen mit Behinderungen bekannt sind, sind sie unter Umständen unerreichbar für sie. Zwar erscheinen die Sprechzeiten der Angebote insgesamt angemessen[5], die Kanäle, über die sie erreichbar sind, sind jedoch noch immer recht begrenzt. Die befragten Hilfsangebote sind in der Regel vor Ort persönlich, telefonisch und/oder per E-Mail verfügbar. Neuere, digitale Kommunikationskanäle (z. B. WhatsApp oder Sprachnachrichten) werden kaum genutzt. Diese würden die Angebote aber für viele Menschen mit Behinderungen zugänglicher machen, selbst wenn sie nicht automatisch barrierefrei sind. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage, ob die Angebote auch vom sozialen Umfeld der Betroffenen kontaktiert werden können (z. B. von Fachpersonen, Angehörigen, Freund:innen). Diese können nämlich eine Brücke zwischen Angebot und Betroffenen schlagen. Es ist daher erfreulich, dass dies bei den befragten Hilfsangeboten mehrheitlich der Fall ist. Allerdings bieten nur wenige Organisationen aufsuchende Angebote, die Klient:innen zum Beispiel eine Beratung zu Hause oder in der Institution, in der sie leben, ermöglichen.

Wichtig für die Erreichbarkeit der Angebote vor Ort sind barrierefrei zugängliche Gebäude. Laut den Angaben der Befragten sind die Gebäude und Räumlichkeiten der meisten Angebote mehrheitlich hindernisfrei. Unabhängig vom Angebotstyp zeigte sich allerdings Handlungsbedarf im Hinblick auf die Ausschilderung der Räumlichkeiten. Bisher gibt es kaum Orientierungshilfen für Menschen mit Sehbeeinträchtigung oder Kommunikationshilfen für Menschen mit Hörbeeinträchtigung. Auch fehlt weitgehend eine Ausschilderung der Räume in verschiedenen Sprachen und mithilfe von Piktogrammen.

Haben die Betroffenen den Weg zu einem Hilfsangebot gefunden, kann die direkte Kommunikation mit gewaltbetroffenen Menschen mit Behinderung eine Herausforderung sein – je nach Form und Schwere der Behinderung. Vielfach kann auf Leichte Sprache oder Dolmetscher:innen für Gebärdensprache zurückgegriffen werden. Andere nicht-elektronische (z. B. Piktogramme) oder elektronische Mittel zur Unterstützung der Kommunikation werden nur sehr selten genutzt. Dies gilt überraschenderweise auch für befragte Angebote, die sich explizit an Menschen mit Behinderungen richten.

Die Befunde weisen insgesamt auf einen Wissensmangel bei den Mitarbeitenden der befragten Angebote hin – ein Mangel, der den Befragten selbst bewusst ist. Dabei verfügen Mitarbeitende von behinderungsspezifischen Organisationen nur über unzureichend Wissen über das Thema Gewalt. Mitarbeitenden von gewaltspezifischen Angeboten fehlt hingegen das notwendige behinderungsspezifische Wissen, was unter anderem auch den Einsatz von Unterstützter Kommunikation (UK) in der Beratung einschliesst. Mitarbeitende von allgemeinen Angeboten weisen sowohl einen Bedarf an behinderungs- als auch an gewaltspezifischem Wissen auf. Geeignete Fort- und Weiterbildungen können nicht nur Sachwissen vermitteln, sondern auch helfen, Stereotype und falsche Überzeugungen («Mythen») bezüglich Menschen mit Behinderungen und Gewalt abzubauen. Hierdurch lassen sich bestehende Hemmungen im Umgang mit der Zielgruppe verringern. Nehmen Fachpersonen aus dem Gewaltschutz und der Behindertenhilfe gemeinsam an den Weiterbildungen teil, bietet sich die Möglichkeit zur Vernetzung zwischen diesen beiden bisher stark getrennten Bereichen. Gerade diese Vernetzung scheint vor dem Hintergrund der Studienergebnisse zentral, um die Zugänglichkeit von Hilfsangeboten für gewaltbetroffene Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Zum einen kann sie dabei helfen, eine intersektionale Perspektive einzunehmen, bei der die Diversität der verschiedenen Zielgruppen anerkannt und in den Konzepten berücksichtigt wird. Beispielsweise haben gewaltbetroffene Frauen und Mädchen mit Behinderungen unterschiedliche sexuelle Orientierungen. Zum anderen können die Fachpersonen aus den verschiedenen Bereichen von der Expertise der jeweils anderen profitieren. Das Verständnis füreinander wird gefördert, die «Wege verkürzen sich». Das macht Angebote für gewaltbetroffene Menschen mit Behinderungen zugänglicher. Eine solche Vernetzung ermöglicht es ausserdem Menschen mit Behinderungen, die in Einrichtungen arbeiten und/oder leben, zwischen einrichtungsexternen und -internen Angeboten zu wählen. Wichtig ist, dass diese vernetzten Strukturen so aufgebaut sind, dass sie personenunabhängig funktionieren.

Einschränkungen bei der Interpretation der Befunde

Bei der Interpretation der hier berichteten Ergebnisse sind bestimmte Einschränkungen zu berücksichtigen. So konnten wir aufgrund der geringen Beteiligung von Angeboten aus der lateinischen Schweiz kaum allfällige Unterschiede zwischen den Sprachregionen untersuchen. Allgemein können wir nicht beurteilen, inwieweit die befragte Stichprobe für bestimmte Hilfsangebote oder die vier Angebotstypen repräsentativ ist. Hierfür fehlen Informationen zur Grundgesamtheit, also zum Beispiel dazu, wie viele Angebote es schweizweit pro Typ tatsächlich gibt, an welche Zielgruppen sie sich richten und welche Leistungen sie anbieten. Letztlich ist zu berücksichtigen, dass es sich um Selbstauskünfte handelt, die zudem von ausgewählten Mitarbeitenden der befragten Angebote gemacht wurden. Allerdings haben wir keine Hinweise auf Tendenzen zu sozial erwünschtem[6] Antwortverhalten in den Daten. Sowohl die Ergebnisse der Interviewstudie als auch der Literaturanalyse stützen jene der Fragebogenstudie.

Fazit

In der Schweiz gibt es eine Vielzahl verschiedener Hilfsangebote für gewaltbetroffene Menschen. Diese sind jedoch mehrheitlich nicht barrierefrei und niederschwellig für Menschen mit verschiedenen Behinderungen zugänglich. Um die Zugänglichkeit zu verbessern, gilt es aber nicht allein, Gebäude und Informationsmaterialien barrierefrei zu gestalten. Grundlegend ist eine bessere Vernetzung der Behindertenhilfe und des Gewaltschutzsystems. Hierdurch können nicht nur Wissenslücken gefüllt und Hemmungen auf beiden Seiten abgebaut werden. Eine solche Vernetzung kann auch insgesamt die Einnahme einer intersektionalen Perspektive fördern. Dies kann Massnahmen nach sich ziehen, welche die Zugänglichkeit für gewaltbetroffene Menschen mit verschiedenen Behinderungen erhöht. Die gewaltbetroffenen Menschen mit Behinderungen würden von vernetzten Strukturen ausserdem direkt profitieren, indem sie schneller an eine ihren Bedürfnissen entsprechende Stelle gelangen können. Die Befunde unserer Studie zeigen, dass die bestehenden Mängel den Fachpersonen bewusst sind und dass sie diese beheben wollen. An ihrer Motivation sollte es somit nicht scheitern. Zu hoffen ist, dass ihnen die notwendigen zeitlichen und finanziellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, die laut den Befragten aktuell fehlen. Der Bundesrat hat den ersten Schritt gemacht und Massnahmen beschlossen, die insbesondere die Grundlagen für eine wirksame Prävention von Gewalt gegen Menschen mit Behinderung schaffen sollen. Zudem empfiehlt er den Kantonen unter anderem, den einrichtungsexternen und -internen Hilfsangeboten die benötigten Ressourcen zur Verfügung zu stellen (Bundesrat, 2023).

Seraina Caviezel Schmitz
lic. phil., Psychologin FSP

Dozentin und Projektleiterin

Hochschule Luzern – Soziale Arbeit

Institut für Sozialarbeit und Recht

seraina.caviezel@hslu.ch

Prof. Dr. Paula Krüger

Diplom-Psychologin und Linguistin
Dozentin und Projektleiterin

Hochschule Luzern – Soziale Arbeit

Institut für Sozialarbeit und Recht

paula.krueger@hslu.ch

Literatur

Avanti Donne (2021). Vertiefungsbericht: Opferschutz von Mädchen und Frauen mit Behinderung & Unterstützungs- und Pflegebedarf. Bern. In Netzwerk Istanbul Konvention (Hrsg.), Umsetzung der Istanbul-Konvention in der Schweiz (Annex). https://istanbulkonvention.ch/assets/images/elements/Alternativbericht_Netzwerk_Istanbul_Konvention_Schweiz.pdf

Bundesgesetz über die Beseitigung der Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz, BehiG) vom 13.  Dezember 2002, in Kraft seit dem 01. Januar 2004, SR 151.3.

Bundesrat (2023). «Gewalt an Menschen mit Behinderungen in der Schweiz». Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 20.3886 Roth Franziska vom 19. Juni 2020.

Krüger, P., Bannwart, C., Bloch, L. & Portmann, R. (2020). Gewalt im Alter verhindern: Grundlagenbericht. Beiträge zur Sozialen Sicherheit 2/20. Bundesamt für Sozialversicherungen BSV.

Krüger, P., Caviezel Schmitz, S. & Eder, M. (2022). Sicherstellung eines niederschwelligen und barrierefreien Zugangs zu Hilfsangeboten für gewaltbetroffene Menschen mit einer Behinderung. Schlussbericht. Hochschule Luzern. www.edi.admin.ch/edi/de/home/fachstellen/ebgb/neswletter.html#389571680

Kuckartz, U. (2014). Mixed Methods: Methodologie, Forschungsdesigns und Analyseverfahren. Springer VS.

Kunz, D. (2016). Sexuelle Gesundheit für Menschen mit kognitiven Behinderungen: Angebotsübersicht und Bedürfnisabklärung zu öffentlich zugänglichen Dienstleistungen sexueller Gesundheit. Interact.

Müller, F., Thorshaug, K. & Krüger, P. (2021). Bestandesaufnahme zu Telefonberatungen bei Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Eidgenössisches Büro für Gleichstellung von Frau und Mann EBGB.

Schröttle, M., Puchert, R., Arnis, M., Sarkissian, A. H., Lehmann, C., Zinsmeister, J., Paust, I. & Pölzer, L. (2021). Gewaltschutzstrukturen für Menschen mit Behinderungen – Bestandsaufnahme und Empfehlungen (Forschungsbericht No. FB584). www.ssoar.info/ssoar/handle/document/75731

Stefanowitsch, A. (2014). Leichte Sprache, komplexe Wirklichkeit. Aus Politik und Zeitgeschichte, 64 (9–11), 11–18.

Stern, S., Trageser, J., Rüegge, B. & Iten, R. (2014). Ist- und Bedarfsanalyse Frauenhäuser Schweiz. Grundlagenbericht. INFRAS.

Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention), vom 11. Mai 2011, durch die Schweiz ratifiziert am 14. Dezember 2017, in Kraft seit dem 1. April 2018, SR 0.311.35.

Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention, BRK), vom 13. Dezember 2006, durch die Schweiz ratifiziert am 15. April 2014, in Kraft seit dem 15.  Mai 2014, SR 0.109.

Verbandsübergreifende Arbeitsgruppe zur Prävention von sexueller Ausbeutung, Missbrauch und anderen Grenzverletzungen [AG Prävention] (2021). Vertiefungsbericht Behinderung. Bern. In Netzwerk Istanbul Konvention (Hrsg.), Umsetzung der Istanbul-Konvention in der Schweiz (Annex). https://istanbulkonvention.ch/assets/images/elements/Alternativbericht_Netzwerk_Istanbul_Konvention_Schweiz.pdf

  1. Wir danken Manuela Eder, Emilienne Kobelt, Michael Debétaz, Lena Künzle, Stefania Calabrese und Tanja Mitrovic für ihre Unterstützung in unterschiedlichen Phasen des Projektes und der Begleitgruppe sowie Dr. Urs Germann vom EBGB für ihre wertvollen Inputs.

  2. zum Postulat «Gewalt an Menschen mit Behinderungen in der Schweiz»: www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20203886

  3. Wir haben zudem einen Fragebogen spezifisch für einrichtungsinterne Präventions- und Meldestellen erstellt. 70 solcher Stellen haben an der Studie teilgenommen. Die Ergebnisse können Krüger et al. (2022) entnommen werden.

  4. Wenn Informationen in Leichter Sprache zur Verfügung gestellt werden, so muss zum einen bedacht werden, dass es verschiedene Behinderungsformen und -schweregrade gibt. Zum anderen dürfen dabei keine wesentlichen Informationen verloren gehen, da dies zu einem erneuten Ausschluss führen könnte (zur Kritik an Leichter Sprache siehe u. a. Stefanowitsch [2014]).

  5. Bei gewaltspezifischen Angeboten wird die Relevanz von durchgehend erreichbaren Hilfsangeboten schon länger diskutiert. Dies wäre für gewaltbetroffene Menschen allgemein relevant, unabhängig davon, ob sie eine Behinderung haben oder nicht. Allerdings sind auch zusätzliche, behinderungsspezifische Faktoren zu berücksichtigen, beispielsweise wenn sich Pflege- und Sprechzeiten überschneiden.

  6. Mit sozialer Erwünschtheit ist gemeint, dass Befragte in Studien Antworten geben, die eher gesellschaftlichen Normen und Erwartungen entsprechen als den realen Gegebenheiten oder dem echten Erleben und Verhalten der Personen.