Vom Pilotprojekt zum etablierten Angebot
Zusammenfassung
Im Oberwallis gibt es seit 2021 inklusive «Leichter-Lernen-Kurse». Der Verein «Erwachsenenbildung Oberwallis Plus (ERWOplus)» unterstützt Bildungsanbieter:innen und Institutionen, solche Angebote aufzugleisen und für alle zugänglich zu machen. Dabei werden bestehende Ressourcen des Sozialraums genutzt – beispielsweise der Fahrdienst des Roten Kreuzes oder Freiwillige von Nachbarschaftshilfen. Ein starkes Netzwerk von Kooperationspartner:innen ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für diesen inklusiven Weg. Was als Pilotprojekt begann, ist nun ein festes Angebot.
Résumé
Dans le Haut-Valais, il existe depuis 2021 des cours inclusifs « faciles à apprendre ». L'association Erwachsenenbildung Oberwallis Plus (ERWOplus) soutient les prestataires de formation et les institutions pour mettre en place de telles offres et les rendre accessibles à toutes et tous. Les offres sociaes locales sont utilisées - par exemple le service de transport de la Croix rouge ou les bénévoles de Nachbarschaftshilfe (entraide de proximité). Un réseau solide de partenaires est un facteur de réussite important pour cette démarche inclusive. Ce qui a commencé comme un projet pilote est désormais une offre fixe.
Keywords: Inklusion, Heterogenität, Barrierefreiheit, Erwachsenenbildung, Netzwerkarbeit / inclusion, hétérogénéité, accessibilité, éducation des adultes, travail en réseau
DOI: https://doi.org/10.57161/z2023-05-08
Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 29, 05/2023
In Artikel 24 der Behindertenrechtskonvention (BRK) ist das «Recht auf lebenslanges Lernen» festgehalten. Kurse der Erwachsenenbildung sind geeignete Begegnungsorte für eine inklusive Praxis. Gemeinsame Interessen stehen im Vordergrund – nicht die Beeinträchtigung. Bestehende Angebote der Erwachsenenbildung sind jedoch meist schwer zugänglich. Es gibt viele Barrieren für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen. Im Bereich Erwachsenenbildung für Menschen mit Lernschwierigkeiten leistete das Oberwallis Pionierarbeit. Bereits früh entstanden erste Erwachsenenbildungskurse, die später ans Bildungsangebot von insieme Schweiz angegliedert wurden. Ab 2019 wurde dieses Bildungsangebot nicht mehr weitergeführt.
Wenn Inklusion angestrebt wird, braucht es keine neuen Bildungsanbieter:innen, sondern eine Transformation bestehender Angebote. Es sind Unterstützungsleistungen für Menschen mit Beeinträchtigungen notwendig, damit sie an den Kursen teilnehmen können. Aus dieser Vision entstand der Verein ERWOplus. In einem überschaubaren Pilotprojekt wollten wir Erfahrungen sammeln. Inspiration waren Konzepte aus Deutschland. Zu nennen ist in erster Linie das Berliner Aktionsbündnis Erwachsenenbildung inklusiv ERW-IN, welches wir im Vorfeld besucht haben. ERW-IN kümmert sich um den Ausbau inklusiver Angebote der allgemeinen Erwachsenenbildung. Im Fokus stehen Personen mit Lernschwierigkeiten. Ein weiteres inspirierendes Konzept war der «Bamberger Weg zu einer inklusiven Volkshochschule – ein Praxisleitfaden» (Hemm, 2018). Die beiden Konzepte haben gemeinsam, dass sie stark mit Volkshochschulen vernetzt sind und auf Menschen mit Lernschwierigkeiten fokussieren. Für das Projekt von ERWOplus beschlossen wir, von Anfang an Menschen mit allen Beeinträchtigungsformen so gut wie möglich zu berücksichtigen.
Nach ersten konzeptuellen Überlegungen erkundeten wir, welche Ressourcen und Angebote für inklusive Erwachsenenbildung im Sozialraum Oberwallis bereits vorhanden sind: Welche Bildungsangebote gibt es im Oberwallis? Welche Unterstützungsmöglichkeiten bestehen bereits? Mit welchen Organisationen treten wir in Kontakt? Inwiefern sind Dienstleister:innen bereits sensibilisiert auf Barrierefreiheit? So erfassten wir zuerst mit verschiedenen Akteur:innen den Ist-Zustand und besprachen eine mögliche Zusammenarbeit: Im Oberwallis bieten einige Gemeinden niederschwellige und kostengünstige Erwachsenenbildungskurse an. Auch private Bildungsanbieter:innen zeigten Interesse, ihr Angebot zugänglicher zu machen. Schon früh identifizierten wir den Weg zum Kursort als Barriere für Menschen mit Lernschwierigkeiten – insbesondere für Personen, die in Institutionen leben. In Wohngruppen fehlen oftmals die personellen Ressourcen, um eine Begleitung zum Kursort gewährleisten zu können. Deshalb kontaktierten wird den regionalen Fahrdienst Kleeblatt des Roten Kreuzes. Der Fahrdienst war zu einer Zusammenarbeit bereit. Auch suchten wir eine Lösung für diejenigen Personen, die eine 1:1-Assistenz als Unterstützung benötigen. Um nicht einen eigenen Pool an Freiwilligen für persönliche Kursassistenz bilden zu müssen, nahmen wir Kontakt zu einem Verein der Nachbarschaftshilfe auf. Auch hier war eine Zusammenarbeit rasch beschlossen.
Impression aus einem Schulungstag der Kursleitungen und Kursassistenzen (© A. Bossotto)