Übergänge als Entwicklungskatalysator

Tamara Carigiet

DOI : https://doi.org/10.57161/z2023-01-00

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 29, 01/2023

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«Ach, wenn unsere Söhne einmal älter sind, dann nutzen wir Halloween, um zu zweit etwas Schönes zu unternehmen.» Im letzten November wollten unsere Söhne am fröhlichen Treiben gar nicht mehr mitmachen, und es klingelte auch nur selten an der Tür an diesem Abend. Als ich bemerkte, dass wir auf unseren Süssigkeiten sitzen blieben, fragte ich mich: «Haben wir als Familie von Teenies wieder einmal einen Übergang gemeistert?» Eine leise Ahnung sagte mir, dass eine weitere Phase in unserem Familienleben abgeschlossen ist, wie schon die Spielgruppenzeit, der Räbenliechtliumzug oder auch der Kindergarten. Ich wusste aber auch, dass neue und nicht minder spannende Etappen auf uns warten beziehungsweise dass wir bereits mittendrin stehen.

Die aktuelle Ausgabe ist dem Thema Übergänge gewidmet. Übergänge können biografischer Art sein, wie der Eintritt ins Erwerbsleben, der Übergang von der Partnerschaft zur Elternschaft oder eine Trennung. Als (institutionelle) Übergänge gelten etwa der Übergang in die Schule oder der Übergang von einer Schul- oder Ausbildungsstufe zur nächsten. Übergänge stellen Phasen der Neuorientierung dar. Im besten Falle beschleunigen sie das Lernen. Wenn die Anforderungen jedoch zu gross oder die Ressourcen zu gering sind, dann kann es zu einer Überforderung des Individuums oder seines Umfelds kommen.

Für Kinder ohne Behinderung zeigt die Forschung, dass frühe institutionelle Übergänge wie derjenige in den Kindergarten allermeist gut bewältigt werden (Carigiet, Troesch & Schaller, 2020 [1] ). Anders sieht es aus bei Kindern mit einer Behinderung. Für sie und ihre Familie erweisen sich frühe Schulübergänge als besonders herausfordernd und das Risiko für benachteiligende Prozesse wie Rückstellungen ist erhöht (Then & Pohlmann-Rother, 2022 [2] ).

Übergänge bedeuten Abschied, aber im Optimalfall eröffnen sich dadurch Entwicklungschancen. Hermann Hesse hat dies in seinem Gedicht «Stufen» so formuliert: «Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe / Bereit zum Abschied sein und Neubeginne / […] jedem Abschied wohnt ein Zauber inne.» Je besser es gelingt, die Familien und die Kinder in den Übergangsprozess einzubeziehen und die verschiedenen Akteure untereinander zu vernetzen, desto eher können Übergänge gelingen.

Beim Lesen unserer Zeitschrift im «neuen Gewand» wünschen wir Ihnen viel Vergnügen!

Dr. Tamara Carigiet

Wissenschaftliche Mitarbeiterin SZH/CSPS

tamara.carigiet@szh.ch

  1. Carigiet, T., Troesch, L. M. & Schaller, P. (2020). Gelingt der Übergang in den Kindergarten? Erkenntnisse aus einer Befragung von Kindergartenlehrpersonen und Eltern. Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften, 42 (1), 187–209. https://www.doi.org/10.24452/sjer.42.1.11

  2. Then, D. & Pohlmann-Rother, S. (2022, in press). Transition to formal schooling of children with disabilities: A systematic review. Educational Research Review . https://doi.org/10.1016/j.edurev.2022.100492