Ein Fokus auf Lernende mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen
Zusammenfassung
Dieser Beitrag stellt eine Studie vor, welche die Beziehungen von Lehrpersonen und Lernenden mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen untersucht. Dafür wurden qualitative und quantitative Daten miteinander verbunden. Die Ergebnisse zeigen: In Klassen, in denen die Schüler:innen die Qualität dieser Beziehung als gering einschätzen, erachten ihre Lehrpersonen die Beziehung zu den Lernenden als wenig relevant oder als «Glücksache» und befürworten Separation bei Disziplinarproblemen. Klassen mit einer guten Beziehung zwischen Lehrpersonen und Lernenden zeichnen sich hingegen aus durch Wohlbefinden der Lernenden und Lernfortschritte. Diese Lehrpersonen fühlen sich für die Beziehung zu ihren Schüler:innen verantwortlich und bemühen sich, diese sozial, emotional und kognitiv zu unterstützen.
Résumé
Cet article présente une étude qui s’intéresse à la relation du corps enseignant avec les élèves ayant des besoins éducatifs particuliers. Les résultats, issus de données qualitatives et quantitatives, montrent que dans les classes où les élèves jugent la qualité de cette relation médiocre, leurs enseignantes et enseignants considèrent que l’entente avec les élèves est peu pertinente ou relève d’une « question de chance ». En cas de problèmes disciplinaires, le corps enseignant préconise la séparation. En revanche, les classes ayant une bonne relation corps enseignant-élèves se caractérisent par le bienêtre des élèves et leurs progrès scolaires. Ces enseignantes et enseignants se sentent responsables d’entretenir la relation avec leurs élèves et s’efforcent de les soutenir sur le plan social, émotionnel et cognitif.
Keywords: Inklusion, Sekundarstufe I, Beziehungsqualität, Lehrer-Schüler Beziehung, qualitative Forschung / inclusion, degré secondaire premier cycle, qualité de la relation, relation maitre-élève, recherche descriptive
DOI: https://doi.org/10.57161/z2025-09-02
Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 31, 09/2025
Beim Herr M., wenn ich schon gefühlt eine halbe Stunde strecke und jemand anderes nach mir streckt, dann geht er zuerst zur anderen Person.
Und wie fühlst du dich dann?
Von ihm fühl ich mich einfach verarscht. (K11_F15_t2)
In diesem Interviewausschnitt spricht ein 13-jähriger Schüler mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen[1] an einer Schweizer Sekundarschule darüber, wie enttäuscht er von seiner Lehrperson ist. Schüler:innen jeden Alters sind auf die Aufmerksamkeit und emotionale Unterstützung von Lehrpersonen angewiesen – beim Lernen und bei der sozio-emotionalen Entwicklung. Eine gute Beziehung zur Lehrperson hat für Schüler:innen mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen eine wichtige Schutzfunktion (Gasser et al., 2018). Studien zeigen nämlich, dass gerade diese Gruppe häufiger als Lernende ohne besondere pädagogische Bedürfnisse ungünstige Beziehungen zu Lehrpersonen (Bosman et al., 2022) und ihren Peers (Østvik et al., 2018) entwickelt. Schüler:innen mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen haben daher ein erhöhtes Risiko für Isolation und Viktimisierung und sind stärker benachteiligt in ihrer sozio-emotionalen und kognitiven Entwicklung (Huber & Wilbert, 2012; Nicolay et al., 2024). Ausgehend von diesen Erkenntnissen wird in diesem Artikel den Fragen nachgegangen, wie Lernende mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen die Beziehung zu ihren Klassenlehrpersonen erleben, wie ihre Klassenlehrpersonen diese Beziehungen gestalten und welche Grenzen sie dabei für ihr Handeln sehen.
Die hier vorgestellten Daten stammen aus der Längsschnittsstudie «Integrative Förderung auf der Sekundarstufe I (IFCH-Sek-I)» (2019–2021) mit 42 Schulen und 807 Jugendlichen aus der französisch- und deutschsprachigen Schweiz. Alle Jugendlichen schätzten einzeln die Qualität der Beziehung zu ihrer Klassenlehrperson im Fragenbogen «Lehrperson-Lernende-Beziehungs-Qualität» (LLBQ) ein. Er erfasst somit die Beziehungskompetenz der Lehrpersonen aus Sicht der Lernenden. Von den 807 Schüler:innen wurden 54 Jugendliche mit diagnostizierten besonderen pädagogischen Bedürfnissen mittels eines Leitfadens interviewt. Zudem wurden ihre Klassenlehrpersonen in 40 Fokusgruppen (mit oder ohne Fachpersonen) befragt. Mithilfe der quantitativen Daten der Jugendlichen konnten die qualitativen Aussagen der Lehrpersonen eingeordnet und verglichen werden. Die Skala des Fragebogens reicht von 1 (stimmt gar nicht) bis 5 (stimmt genau), wobei Werte über 3 als Zustimmung (hohe Beziehungsqualität) und Werte über 4 als klare Zustimmung (sehr hohe Beziehungsqualität) interpretiert werden. Für jede Klasse wurde ein Mittelwert berechnet. Anhand dessen wurde der Schwellenwert für höher eingeschätzte (obere 25 Prozent; M = 4,25–4,66) oder tiefer eingeschätzte (untere 25 Prozent; M = 2,82–3,84) Beziehungsqualität ermittelt und die Lehrpersonen zu den jeweiligen Klassen mit je eigenem Mittelwert zugeordnet.
Der LLBQ-Fragenbogen wurde für die Studie entwickelt. Er legt den Fokus auf zwei Qualitäten von Beziehungen: Emotionale Resonanz und Joint Attention (Pastore et al., 2024). Emotionale Resonanz bezeichnet die Fähigkeit von Lehrpersonen, die Emotionen von Schüler:innen nachzuvollziehen, sich in deren Lage hineinzuversetzen, Mitgefühl zu zeigen und sie angemessen zu unterstützen. Diese Fähigkeit vermittelt den Lernenden Sicherheit und bietet ihnen einen Raum, um Gefühle zu verarbeiten, die ihrem Lernen im Weg stehen könnten (Ainsworth et al., 2015). Joint Attention betrifft die Fähigkeit von Lehrpersonen, ihre Handlungen mit jenen der Lernenden sozial zu koordinieren, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Lehrpersonen interagieren aufmerksam mit ihren Lernenden, teilen ihre Absichten und Emotionen mit ihnen und stimmen diese auf die der Lernenden ab. Dies fördert die Motivation der Lernenden, stimuliert ihr Gehirn, fördert ihre sozial-kognitiven Lernprozesse sowie ihr Zugehörigkeitsgefühl und den Zusammenhalt (Tomasello et al., 2005; Davidesco, 2020). Studien zeigen, dass Joint Attention die kognitive Aktivität und das Engagement der Lernenden besser erklärt als individuelle Merkmale wie Konzentration oder Persönlichkeit (Bevilacqua et al., 2019).
Die quantitative Befragung sollte die Qualität der Beziehungen zwischen den Jugendlichen und ihren Lehrpersonen messen. In anderen Worten wurde danach gefragt, wie die Lehrpersonen ihre Beziehung zu den Jugendlichen gestalten. Die Interviews erfassten dagegen die individuellen Perspektiven der befragten Lehrpersonen und Jugendlichen. Die Fragen wurden deshalb offen formuliert und deuteten keine spezifischen Qualitäten von Beziehungen an. Die Aussagen der Befragten sind freie und persönliche Gedanken und Erfahrungen zu den erlebten Beziehungen.
Wie erleben Jugendliche mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen ihre Klassenlehrperson? Basierend auf den Aussagen der 54 interviewten Jugendlichen mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen lassen sich drei Typen von Beziehungen zur Klassenlehrperson unterscheiden: positiv, ambivalent und negativ.
Die Jugendlichen, die diesem Beziehungstyp zugeordnet wurden, erleben ihre Lehrperson als interessiert, ehrlich und engagiert. Sie fühlen sich beim Lernen begleitet und sowohl sozial als auch emotional gestützt, etwa bei Konflikten mit Peers oder anderen Lehrpersonen, wie diese Aussage zeigt: «[W]enn etwas ist und andere […] Lehrpersonen so auf uns wütend sind, tut sie uns immer unterstützen. Weil, wenn es nicht gerecht ist und wenn es gerecht ist, dann muss sie halt schnell schauen, dass es fair bleibt» (K26_F36_t1).
Solche Lehrpersonen greifen bei Streitereien ein und handeln transparent. Sie fördern die Lernenden ohne Druck, schaffen Vertrauen und wecken ihr Interesse am Unterricht. Die Jugendlichen fühlen sich ernst genommen, ermutigt, wohl und eingebunden. Ein gutes Klassenklima führen sie auf ihre Lehrpersonen zurück: «Also, wir sind immer füreinander da. Also, in der Schule, wenn es uns nicht gut geht und so. Und es macht eigentlich Spass in der Schule» (K15_F42_t1).
Schüler:innen, die diesem Beziehungstyp zugeteilt wurden, beschreiben ihre Klassenlehrpersonen als grundsätzlich freundlich. Diese können jedoch die Fassung verlieren und selbst bei kleinen Fehlern aufbrausend werden: «[M]anchmal ist er ein bisschen wütend und das regt dann manchmal ein bisschen auf. Und dann müssen wir ein bisschen viel aushalten und das ist ja, manchmal ein bisschen nervig» (K27_F37_t1).
Die Jugendlichen erzählen, dass die Lehrpersonen bei Konflikten oder Mobbing nicht eingreifen und eher passiv bleiben. Das trägt dazu bei, dass manche Lernende von den anderen ausgegrenzt werden. Die Stimmung in der Klasse wirkt gespalten, weil nur einige Lernende eine gute Beziehung zur Klassenlehrperson haben. Diese geht kaum auf einzelne Lernende ein, bemerkt deren Bedürfnisse spät oder gar nicht: «Ich strecke manchmal auf und er bemerkt es gar nicht. Und dann denkt man, okay, jetzt sind ja auch schon vier Monate vorbei, dann versucht man einfach weiterzugehen und ja» (K16_F24_t1).
Zwar sprechen die Jugendlichen nicht ausdrücklich von einer schlechten Beziehung, aber sie nehmen die Lehrperson als wenig interessiert an ihrem Wohlbefinden wahr. Aus ihrer Sicht bleibt sie distanziert in Bezug auf Anliegen oder Bedürfnisse der Lernenden. Gespräche führt die Klassenlehrperson nur mit der ganzen Klasse. Deshalb stufen die Jugendlichen ihre Klassenlehrperson als nicht besonders relevant ein und begrenzen ihre Rolle auf die Wissensvermittlung. Die Schüler:innen erleben ihre Lehrperson als misstrauisch, was sie verletzt. Ausserdem wirkt sie streng, tendiert zu Strafen und Schimpfen, um die Kontrolle zu behalten. Lernfortschritte sehen die Jugendlichen kaum: «[I]n Englisch finde ich, wir kommen fast nicht vorwärts, ich weiss nicht, ob das an uns oder an ihm liegt» (K5_F6_t2).
Sieben Prozent der 54 befragten Jugendlichen erleben eine Beziehung, die als ‹negativ› bezeichnet werden kann. Lehrpersonen, die zu dieser Gruppe gezählt werden, zeigen sich desinteressiert, streng und verbal oder körperlich verletzend: «Einfach das Problem, dass, wenn er wütend ist, er wird ganz rot und er schubst Kinder auf einmal. Das hatte ich nicht so gerne» (K25_F35_t1).
Diese Lehrpersonen ignorieren die Fragen der Jugendlichen, reagieren verärgert auf Fehler, unterstützen sie nicht und geben nur Feedback bei schlechter Leistung. Die Jugendlichen meiden aus Angst den Kontakt mit ihnen. Sie fühlen sich unwohl, allein und erleben die Klasse als angespannt und von Disziplinproblemen geprägt.
Die Auswertungen der Interviews mit den Lehrpersonen ergaben ein anderes Bild. Darin kommen die Beziehungstypen nicht mehr vor. Es wird unterschieden zwischen den Aussagen von Lehrpersonen, deren Beziehungsqualität von den Schüler:innen ihrer Klassen als hoch eingeschätzt wurde, und den Aussagen von Lehrpersonen, deren Beziehungsqualität in ihren Klassen tiefer eingeschätzt wurde. In den Auswertungen lassen sich Übereinstimmungen finden zwischen den Aussagen der interviewten Jugendlichen und der Lehrpersonen. Die unterschiedlichen schulischen Erfahrungen der Lernenden widerspiegeln, als wie wichtig Lehrpersonen die Beziehung erachten, was sie dafür tun und welche Grenzen sie für ihr Handeln sehen. Alle befragten Lehrpersonen teilten die Auffassung, dass eine gute Beziehung die Grundlage ist für Lernfreude, Motivation, bessere Leistungen und ein positives Klassenklima. Sie antworteten aber unterschiedlich auf die Frage, wie die Qualität der Beziehung zu den Jugendlichen im Unterricht gefördert werden kann: Lehrpersonen mit hoch eingeschätzter Beziehungsqualität (über dem Mittelwert; M > 4.0) finden die hierarchielose Teamarbeit, eine partizipative Schulkultur und die transparente Berücksichtigung der besonderen pädagogischen Bedürfnisse wichtig. Dahingegen weisen Lehrpersonen mit tiefer eingeschätzter Beziehungsqualität (unterhalb des Mittelwerts; M < 4.0) auf die Rollenabgrenzung zwischen Lehr- und Förderpersonal hin: Differenzierung soll im Fokus der Sonderpädagog:innen stehen. Sie sahen Vorteile in der Arbeit in kleinen Gruppen. Einzelne Stimmen warnten davor, dass Separation zu Stigmatisierung und Beziehungseinbussen führen kann.
Auch unterscheiden sich die Antworten auf die Frage, was die Lehrpersonen selbst tun für die Qualität der Beziehungen zu ihren Schüler:innen mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen: Lehrpersonen mit höher eingeschätzter Beziehungsqualität gaben an, auf Kinder zuzugehen, immer offene Türen zu haben, in den Pausen präsent zu sein und sich für die Beziehungen zu allen Lernenden verantwortlich zu fühlen. Sie legen Wert auf soziale, emotionale und kognitive Unterstützung und investieren Zeit dafür. Lehrpersonen mit tiefer eingeschätzter Beziehungsqualität finden Grenzen, Strenge und klare Regeln auch für Lernende mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen wichtig. Sie legen die Verantwortung für die Beziehung vor allem in die Hände einer zugewiesenen Bezugsperson. Ausserdem gaben sie an: «Wenn die Beziehung stimmt, dann kann man auch einmal böse sein, und sie [die Lernenden, Anm. der Autor:innen] nehmen es nicht übel» (K31_F44_t2).
Lehrpersonen mit höher eingeschätzter Beziehungsqualität setzen auf Fairness, Transparenz und Verlässlichkeit. Sie heben die Stärken der Lernenden hervor, organisieren stufenübergreifende Anlässe und Projekte mit Begegnungsmöglichkeiten und vermeiden Ausgrenzungen. Lernende mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen gehören für diese Lehrpersonen selbstverständlich dazu. Im Vergleich dazu sehen Lehrpersonen mit tiefer eingeschätzter Beziehungsqualität die Verantwortung für eine schlechte Arbeitshaltung und Absentismus bei den Schüler:innen selbst. Und sie bezeichnen die Qualität der Beziehung zu den Lernenden und das Klassenklima gar als «Glücksache» (K16_F43_t2). Sie finden, dass störende Schüler:innen in einer separierten Klasse besser aufgehoben wären. Die Arbeit mit Lernenden mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen erachten sie als schwierig bis unmöglich – vor allem, wenn sie individuelle Lernziele haben. Lernunterstützung setzen sie mit Hausaufgabenbetreuung gleich.
Die vorgestellte Studie bestätigt die förderliche und schützende Rolle der Lehrperson in Bezug auf Lernende mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen. Und sie zeigt, wie stark Haltungen und Handlungen der Lehrpersonen eine Beziehung prägen. Zugleich wird deutlich, dass ein erheblicher Teil der Lehrpersonen, deren Beziehungsqualität von den Schüler:innen in ihrer Klasse als tiefer eingeschätzt wurde (quantitative Befragung), Fürsorge, positive Aufmerksamkeit und eine partizipative Schulkultur nicht als Teil ihres Kernauftrages sieht. Dagegen schaffen es Lehrpersonen mit hoch eingeschätzter Beziehungsqualität, allen Lernenden, insbesondere jenen mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen, eine psychisch gesunde Lernumgebung zu bieten, in der Schüler:innen sich wohlfühlen und weiterentwickeln können. So schützen diese Lehrpersonen durch ihre Beziehungen die Schüler:innen vor Ausgrenzung und psychischen Belastungen.
In den Aussagen der Lehrpersonen mit tiefer eingeschätzter Beziehungsqualität zeigt sich eine Spannung zwischen der theoretischen Bedeutung und der praktischen Gestaltung von Beziehung. Diese Spannung macht deutlich, wie Beziehungsarbeit und Integrationsarbeit miteinander einhergehen. Daraus entsteht ein möglicher Konflikt zwischen Professionalität (Beziehung ist wichtig) und persönlicher Einstellung (Soll/Will/Kann ich eine Beziehung unter bestimmten Bedingungen aufbauen?). Dabei stellt sich die Frage, ob dieser Konflikt als Zeichen von persönlicher Einstellung oder von Belastungen gedeutet werden kann. Ein ‹Lehrpersonen-Bashing› ist nicht das Ziel dieses Artikels. Vielmehr ist es zentral, dass Schulen und Schulteams über ausreichende Ressourcen (psychologisch und materiell) verfügen, um die psychische Gesundheit der Lehrpersonen zu stärken. In der Aus- und Weiterbildung sind evidenzbasierte praktische Wege aufzuzeigen, wie eine Beziehung selbst in herausfordernden Situationen bewusst und positiv gestaltet werden kann. Wichtig erscheint uns auch, Jugendlichen in der Forschung und in der Schule stärker eine Stimme zu geben (Cefai & Cooper, 2010).
Abschliessend ist auf methodische Einschränkungen der Studie hinzuweisen. Die Interviews fanden teilweise unter suboptimalen Bedingungen statt. Es fehlte ein geschützter Raum für die Interviews mit den Jugendlichen. Die Interviewräume waren grundsätzlich zugänglich, in Einzelfällen betraten Lehrpersonen diese unangemeldet. Sozial erwünschte Antworten können deshalb nicht ausgeschlossen werden. Dies könnte, gemeinsam mit der Abhängigkeit und Unerfahrenheit der Jugendlichen, dazu geführt haben, dass sie erlebte Erniedrigungen oder aggressives Verhalten bagatellisierten. Bei den Lehrpersonen könnten Gruppendynamiken und Druck – oft waren Verantwortliche der Sonderpädagogik anwesend – die Aussagen beeinflusst haben. Beide Aspekte könnten zu wenig akzentuierten Ergebnissen geführt haben.
Dr. phil. Giuliana Pastore Advanced Researcher Pädagogische Hochschule Zürich | Prof. Dr. phil. André Kunz Bildung und Erziehung (Schule und Unterricht) Pädagogische Hochschule Zürich | Prof. Dr. Reto Luder Leiter Zentrum Inklusion und Gesundheit in der Schule Pädagogische Hochschule Zürich | Dr. phil. Ariane Paccaud Lektorin Universität Freiburg |
Ainsworth, M. D. S., Blehar, M. C., Waters, E. & Wall, S. N. (2015). Patterns of Attachment: A Psychological Study of the Strange Situation (Abels). Psychology Press.
Bevilacqua, D., Davidesco, I., Wan, L., Chaloner, K., Rowland, J., Ding, M., Poeppel, D. & Dikker, S. (2019). Brain-to-Brain Synchrony and Learning Outcomes Vary by Student-Teacher Dynamics: Evidence from a Real-world Classroom Electroencephalography Study. Journal of Cognitive Neuroscience, 31 (3), 401–411. https://doi.org/10.1162/jocn_a_01274
Bosman, R. J., Koomen, H. M. Y., Zee, M. & de Jong, P. F. (2022). Patterns of problematic teacher-child relationships in upper elementary school. Journal of Applied Developmental Psychology, 83, 101478. https://doi.org/10.1016/j.appdev.2022.101478
Davidesco, I. (2020). Brain-to-Brain Synchrony in the STEM Classroom. CBE – Life Sciences Education, 19 (3), 1–6. https://doi.org/10.1187/cbe.19-11-0258
Gasser, L., Grütter, J., Buholzer, A. & Wettstein, A. (2018). Emotionally supportive classroom interactions and students’ perceptions of their teachers as caring and just. Learning and Instruction, 54, 82–92. https://doi.org/10.1016/j.learninstruc.2017.08.003
Huber, C. & Wilbert, J. (2012). Soziale Ausgrenzung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und niedrigen Schulleistungen im gemeinsamen Unterricht. Empirische Sonderpädagogik, 4 (2), 147–165. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0111-opus-92968
Interkantonale Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Sonderpädagogik (Sonderpädagogik-Konkordat) vom 25. Oktober 2007. EDK. https://edudoc.ch/record/87689?v=pdf
Nicolay, P., Weber, S., Huber, C. & Spilles, M. (2024). Vermittelt Lehrkraftfeedback den Zusammenhang von Verhaltensproblemen und sozialer Akzeptanz in der Primarstufe? Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 39 (4), 283–294. https://doi.org/10.1024/1010-0652/a000385
Østvik, J., Ytterhus, B. & Balandin, S. (2018). «So, how does one define a friendship?»: Identifying friendship among students using AAC in inclusive education settings. European Journal of Special Needs Education, 33 (3), 334–348. https://doi.org/10.1080/08856257.2017.1312799
Pastore, G., Luder, R., Kunz, A. & Paccaud, A. (2024). Lehrperson-Lernenden-Beziehungsqualität. Eine Skala zur Erhebung der Beziehungsqualität aus Schülerinnen- und Schülerperspektive. Empirische Sonderpädagogik, 24 (3), 223–239. https://doi.org/10.25656/01:32228
Der Begriff besondere pädagogische Bedürfnisse meint Bedürfnisse von Schüler:innen, die aufgrund von Lern- oder Entwicklungsbeeinträchtigungen, Behinderungen oder besonderen Begabungen zusätzliche pädagogische Unterstützung benötigen. Der Begriff wird im Rahmen der integrativen Schulung und der sonderpädagogischen Massnahmen der Kantone verwendet (EDK, 2007) und betont die pädagogische Perspektive auf individuelle Lern- und Entwicklungsbedürfnisse. Er wird im deutschsprachigen Raum häufig synonym behandelt zum Begriff sonderpädagogischer Förderbedarf. ↑