Einführung
Im September organisierte das machTheater in Zürich Oerlikon einen Informationsanlass. Neben Angeboten wie der TheaterWerkstatt, einem Theaterkurs für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, bietet das machTheater die INSOS zertifizierte PrA-Berufsausbildung «Schauspiel, Kommunikation, Gestaltung» an. Um diese Ausbildung drehte sich das «PrA-Speed-Dating». Ich war bei diesem Anlass dabei, um mir ein Bild von dem Kulturbetrieb zu verschaffen. Nach einer Vorstellung des machTheaters und der PrA-Ausbildung berichteten die Mitarbeitenden von ihren Erfahrungen. Im Speed-Dating-Format erzählten sie an verschiedenen Tischen von ihrer Arbeit sowie von vergangenen und zukünftigen Aufführungen. Mit vielen Notizen und Gedanken verliess ich die Veranstaltung. Einige dieser Eindrücke sind in diesem Beitrag festgehalten.
DOI: https://doi.org/10.57161/z2025-09-06
Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 31, 09/2025
Im Bistro des machTheaters, das im Stil der 1970er-Jahre gestaltet ist, steht das Leitungsteam versammelt: Britta Halperin, Urs Beeler, Tonia Bollmann und Sabeth Weibel. Sie kommunizieren der Gruppe von etwa zehn interessierten Personen den Ablauf des Anlasses. Kommunikation wird sich an diesem Abend als wichtiges Stichwort herausstellen – es ist ein Aspekt, auf den im gesamten Schaffen des machTheaters viel Wert gelegt wird, betont Urs Beeler vom Leitungsteam, als er das Angebot vorstellt. Dieses umfasst neben Aufführungen unter anderem auch Führungen durch Museen, Theaterworkshops und Gastroevents. Die Bandbreite des Angebots ist gross. Und trotzdem sei bei all diesen Anlässen die Kommunikation zentral. Diese müsse und könne jedoch nicht immer verbal sein. So wird beispielsweise auch über die gestalterische Ebene kommuniziert. Diesem Bereich wird in der PrA-Berufsausbildung «Schauspiel, Kommunikation, Gestaltung» viel Platz eingeräumt. Die PowerPoint-Präsentation zeigt ein Beispiel für ein vergangenes gestalterisches Projekt, bei dem 32 Schutzengel für eine Ausstellung hergestellt wurden. Diese entsprechen nicht einer bestimmten Norm, sondern sind in ihrer Form alle individuell. Die Engel sollen die Diversität unserer Gesellschaft widerspiegeln.
Die Überzeugung, dass man sich nicht einer gewissen Norm beugen sollte, zeigt sich im machTheater auch in anderen Aspekten. Dem Leitungsteam ist es wichtig, dass sie in ihren Angeboten einen geschützten Rahmen bieten können. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass sich die Schauspieler:innen mit Behinderungen sonst an eine vermeintliche ‹Normalität›, die von Menschen ohne Behinderungen vorgegeben wird, anpassen. Die Schauspieler:innen sollen Vertrauen in ihre Kompetenzen schöpfen und ihre Persönlichkeit und Kreativität stärken können. Dabei sollen Eigenheiten nicht verloren gehen, sondern wertgeschätzt werden. So fällt es leichter, der Anpassung zu widerstehen. Ist dieser Punkt erreicht, kann (und soll) Inklusion stattfinden – beispielsweise in den Workshops, die die Lernenden und Mitarbeitenden des machTheaters mit Schulklassen oder Studierenden durchführen.
Inklusion findet auch statt, wenn Mitarbeitende des machTheaters ihre Ausbildung beendet haben und sich dazu entschliessen, an einem externen Arbeitsplatz zu arbeiten. Neben der Garantie auf einen internen Arbeitsplatz nach der Ausbildung bietet das machTheater auch diese Möglichkeit. Das machTheater verpflichtet sich der BRK und insbesondere dem Recht eines jeden Menschen auf Aus- und Weiterbildung sowie auf Arbeit. Diese Haltung geht über den Abschluss der Berufsausbildung hinaus (machTheater, 2021).
Beim Speed-Dating komme ich an Rahels Tisch vorbei, die mir begeistert von ihrer Arbeit erzählt. Zwei Tage pro Woche arbeitet sie nicht im machTheater, sondern bei H&M. Sie zeigt mir ein Foto, auf dem sie vor einem Berg Hosen steht. Zu ihren Aufgaben gehört es, diese zu falten und mit Aufklebern zu versehen. Am liebsten faltet sie Unterwäsche, da es hierfür viel Fingerspitzengefühl braucht. Und um zu demonstrieren, mit welcher Präzision sie Kleider faltet, legt sie ein Geschirrtuch zusammen. Diese Fertigkeit hat sie im machTheater gelernt.
Bei der Suche nach einem solchen Nischenarbeitsplatz wird von den Kompetenzen der Person ausgegangen. Der Arbeitsplatz wird dann entsprechend dem Profil der Person gestaltet. Britta Halperin und Sabeth Weibel vom Leitungsteam betonen, dass ihr Coaching wichtig dafür ist, damit diese Arbeit gelingen kann. Das Coaching richtet sich an die zu vermittelnde Person, aber auch an die Personen, die im externen Betrieb arbeiten. Auch hier ist Kommunikation der Schlüssel zum Erfolg: Es muss klar kommuniziert werden, was die Person kann und was sie braucht. Durch Gespräche werden Berührungsängste, Hürden und Bedenken aus dem Weg geräumt, damit das Arbeitsverhältnis für alle Beteiligten funktioniert. So können Begegnungen entstehen, «die ein Grundstein für die Inklusion sind» (machTheater, 2021).
Im machTheater ist man daher stets auf der Suche nach neuen Formen der Kommunikation. Nicht nur, um das vielfältige Angebot präsentieren zu können, sondern auch, um die Öffentlichkeit zu erreichen. Denn schliesslich geht es ihnen darum, aus ihrer Blase auszubrechen und Sichtbarkeit zu schaffen. Nur so können Fragen zum Umgang mit Diversität in Kunst und Kultur diskutiert und Perspektivenwechsel angeregt werden.
Die Mitarbeitenden, die am PrA-Speed-Dating von ihrer Arbeit und Ausbildung erzählt haben, werden mit einem selbstgemalten Porträt (von links nach rechts) kurz vorgestellt.
Rahel Vogel (24 Jahre alt) arbeitet nach ihrer Ausbildung beim machTheater zwei Tage pro Woche in einem Kleiderladen. Ihre Lieblingsrolle im Theater ist die des Stammgasts in «Zweinachten» und sie liebt Workshops mit Studierenden.
Igor Krndija (26 Jahre alt) hat die PrA-Berufsausbildung «Schauspiel, Kommunikation, Gestaltung» absolviert. Er schätzt daran besonders das Malen. Bei der letzten Ausstellung wurden zwei seiner Bilder versteigert.
Fabienne Leuthard (22 Jahre alt) nahm nicht am «PrA-Speed-Dating» teil. Denn an diesem Abend arbeitete sie an ihrem externen Arbeitsplatz in der Besucherbetreuung im Museum Tinguely in Basel.
Mirjam Gambon (28 Jahre alt) hat ebenfalls die Ausbildung im machTheater abgeschlossen. Sie liebt das Schauspielern und Tanzen. Teil ihrer letzten Rolle während der Führung im Schloss Frauenfeld war ein Kussworkshop.
Sofia Pereira und Jonas Furrer sind 19 und 17 Jahre alt und befinden sich in der Berufsausbildung. Das Schauspielern ist ihre Lieblingsaufgabe. Sie freuen sich auf die Wiederaufnahme der Führung im Schloss Frauenfeld.
Joana Tinner Praktikantin SZH/CSPS |