Flügge – Elternzusammenarbeit in der Berufswahlphase

Ein Pilotprojekt

Claudia Hofmann und Susanne Dätwyler

Zusammenfassung
Eltern spielen beim Übergang ihrer Jugendlichen von der Schule in die Arbeitswelt eine Schlüsselrolle. Besonders anspruchsvoll ist diese Phase für Eltern von Jugendlichen mit Behinderungen. Im Pilotprojekt «Flügge» wurden Familien im Rahmen von mehreren Treffen während der Berufswahlphase begleitet. Ziel war es, das Gespräch innerhalb der Familien anzuregen, die Familien miteinander zu vernetzen und die anstehenden Schritte gemeinsam zu planen. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass das Programm von den Teilnehmenden geschätzt wird. Allerdings war es schwierig, Eltern zu erreichen, die von diesem Angebot besonders profitieren könnten. Deshalb wurden weitere niederschwelligere Varianten entwickelt und evaluiert.

Résumé
Les parents jouent un rôle clé dans la transition école-métier de leurs enfants. Cette phase est particulièrement difficile pour les parents de jeunes en situation de handicap. Pendant l’étape du choix professionnel, plusieurs familles ont pris part au projet pilote « Flügge », qui propose un accompagnement et des rencontres réunissant les familles. L’objectif était d’encourager le dialogue au sein des familles, de mettre celles-ci en réseau et de planifier ensemble les étapes à venir. Les premières expériences ont montré que le programme a été apprécié par les familles. Cependant, il s'est avéré difficile d'atteindre les parents qui pourraient particulièrement bénéficier de cette offre. C'est pourquoi d'autres options plus accessibles ont été développées et évaluées.

Keywords: Übergang zur Arbeitswelt, Berufswahl, Behinderung, Kooperation, Familie, Eltern-Kind-Beziehung / passage à la vie active, choix d'une profession, handicap, coopération, famille, relation parents-enfant

DOI: https://doi.org/10.57161/z2025-09-04

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 31, 09/2025

Creative Common BY

Ausgangslage

Der Übergang von der Schule in den Beruf ist für Jugendliche mit Behinderungen oft schwierig und mit Enttäuschungen verbunden. In den letzten Jahren wurde das professionelle Unterstützungssystem ausgebaut. Das Angebot ist jedoch schwierig zu überblicken und bei Übergängen wechseln oft die Bezugspersonen. Eltern spielen deshalb eine Schlüsselrolle, da sie Kontinuität bieten und ihre Jugendlichen auch in Übergangsphasen und während der Ausbildungszeit begleiten können (Hofmann & Schellenberg, 2019). Viele Untersuchungen belegen den Einfluss, den Eltern in dieser Zeit auf ihre Kinder haben. Vonseiten der Schule wird die Elternzusammenarbeit allerdings oft auch als Herausforderung erlebt (ebd., 2015).

Ziel des Artikels ist es, die Chancen und Schwierigkeiten der Elternzusammenarbeit zu diskutieren und am Beispiel des Pilotprojekts Flügge aufzuzeigen, wie ein besserer Einbezug der Eltern in dieser Phase gewährleistet werden könnte. Das Pilotprojekt wurde vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) mitfinanziert. Folgende Fragen werden in diesem Beitrag basierend auf den Ergebnissen der Begleitevaluation thematisiert:

Rolle der Eltern bei der Berufswahl

Bei Fragen zur beruflichen Zukunft gehören die Eltern meist zu den wichtigsten Ansprechpersonen für ihre Jugendlichen, selbst wenn in anderen Lebensbereichen Differenzen bestehen (Hofmann & Schellenberg, 2019). Familien, die über finanzielle Ressourcen und ein gutes soziales Netzwerk verfügen, sind eher in der Lage, ihre Jugendlichen in kritischen Situationen beim Übergang in die Arbeitswelt zu unterstützen (Scharenberg et al., 2014). Jedoch können Erwartungen vonseiten der Eltern bei den Jugendlichen Druck erzeugen und zu Konflikten führen.

Jugendliche – mit und ohne Behinderungen – möchten in dieser Ablösungsphase ihren Weg eigenständig finden. Für die Eltern ist dies nicht immer einfach zu akzeptieren und gleicht oft einem Balanceakt. Die Bemühungen der Eltern, ihre Jugendlichen vor Enttäuschungen zu schützen, fanden auch Fullarton und Duquette (2015) in ihrer Studie. Sie untersuchten den Übergangsprozess von der Schule ins Berufsleben und stellten zwei weitere Muster elterlichen Verhaltens fest: Zum einen Eltern, die oft aus Überforderung die Verantwortung für die Berufswahl ihrer Jugendlichen an die Schule oder andere Fachpersonen delegieren möchten. Zum anderen Eltern als ‹Advokaten›, die sich sehr für ihr Kind einsetzen, was den Prozess mitunter behindern kann. Zusätzlich können gegenseitige Zuschreibungen und Schuldzuweisungen zwischen Eltern und Schule die Zusammenarbeit erschweren (Hofmann & Schellenberg, 2019).

Für eine gelingende Transition ist jedoch die Kooperation und Koordination mit verschiedenen Beteiligten erforderlich (u. a. Eltern, Schulische Heilpädagog:innen und Lehrpersonen, Fachpersonen der Invalidenversicherung, Therapeut:innen). Zwar werden Eltern als wichtige Bezugspersonen durchaus wahrgenommen. Die Zusammenarbeit beschränkt sich jedoch oft auf die Informationsvermittlung und allenfalls auf die Sensibilisierung für die eigene Rolle.

«Flügge»: Familien lernen Übergänge gemeinsam zu gestalten und entwickeln

Ziele und Vorgehen im Überblick

Um diesen Herausforderungen entgegenzutreten, wurde das Projekt Flügge entworfen. Im Projekt Flügge werden Familien in der Berufswahlphase der Jugendlichen ein Stück auf ihrem Weg und in ihrem gemeinsamen Lernprozess begleitet. Das Angebot richtet sich an Jugendliche und ihre Familien sowohl in Sonderschulen als auch im integrativen Setting. Das Programm Familie und Nachbarschaft (FuN) aus Deutschland diente bezüglich Grundhaltung und Herangehensweisen als Vorbild. Der systemische Ansatz Flügge zielt darauf ab, im Rahmen von vier Familientreffen die Kommunikation und Konfliktfähigkeit im Zusammenhang mit dem Thema Berufswahl zu stärken. Folgende Teilziele sollen erreicht werden:

In der Pilotversion waren vier Treffen mit einer verbindlichen Teilnahme geplant. Die Treffen waren jeweils ähnlich strukturiert: Sie starteten mit einer Phase, in der die Familien unter sich anstehende Themen zur Berufswahl bearbeiteten, moderiert durch die Flügge-Verantwortlichen. Im Anschluss daran trennten sich die Familien. Die Eltern beziehungsweise die Jugendlichen diskutierten mit ihren Peers weitere Fragen oder arbeiteten an Aufgaben, die zum jeweiligen Stand der Berufswahl passten. Abschliessend trafen sich die Familien zum Austausch über die Peer-Runde und um die weiteren Schritte zu planen. Abbildung 1 zeigt den Ablauf und die Themenschwerpunkte im Überblick:

Abbildung 1: Flügge Ablauf und Themen
Flussdiagramm zur beruflichen Orientierung von der 8. bis zur 9. Klasse. Vier Phasen der Intervention: F1 Kennenlernen und Erkunden, F2 Dranbleiben und Vernetzen, F3 Entscheiden und Realisieren, F4 Überdenken und Vorbereiten. Rechts daneben Evaluation mit Synthese, Schlussfolgerungen und Anpassungen für weitere Durchführungen.
Auf der linken Seite steht ein Zeitstrahl, der den zeitlichen Ablauf visualisiert. Das erste Treffen beginnt ca. im September der achten Klasse und das letzte Treffen liegt ca. im Januar oder Februar der 9. Klasse.

Durchführung in der Pilotversion und Erfahrungen

Die erste Durchführung von Flügge fand in der Stiftung zeka[1] in Baden statt. Es nahmen fünf Familien mit sechs Jugendlichen teil.

Kennenlernen und Erkunden

Beim ersten Treffen ging es darum, die Interessen und Fähigkeiten der Jugendlichen sowie die beruflichen Möglichkeiten kennenzulernen und gegenseitige Erwartungen innerhalb der Familie zu klären. In der Peer-Runde tauschten sich die Eltern moderiert zur aktuellen Situation aus. Die Jugendlichen bearbeiteten währenddessen den Fotointeressentest, hielten den Stand der Berufswahl fest, sprachen mit ihren Peers und in der anschliessenden Familienrunde mit ihren Eltern darüber.

Dranbleiben und Vernetzen

Das zweite Treffen startete mit dem Visualisieren der Familien-Netzwerke, das sich an der Methode der persönlichen Zukunftsplanung orientiert. Anschliessend bewegten sich die Eltern zwischen den ausgestellten Flipcharts und ergänzten nach Möglichkeit Kontakte aus ihrem eigenen Umfeld. In der Peer-Runde diskutierten die Eltern über die Verantwortlichkeiten bei der Organisation von Schnupperlehren. Parallel dazu berichteten ehemalige Lernende der Stiftung zeka in der Peer-Runde der Jugendlichen von ihren Erfahrungen. Die Jugendlichen konnten dabei im kleinen Kreis Fragen stellen.

Abbildung 2: Verantwortlichkeiten klären bei der Organisation von Schnuppereinsätzen in der Peer-Runde der Eltern
Auf einem Flipchart sind vier Blätter befestigt. Oben steht auf einem roten Blatt: Kontaktnahme mit Betrieb.
Unter dem Titel sind vier Möglichkeiten der Kontaktnahme aufgelistet, jeweils mit farbigen Punkten darunter:

1. Mail an den Betrieb (oder andere Form der Anfrage) – darunter vier blaue Punkte.
2. Telefonieren mit dem Betrieb – darunter fünf Punkte: zwei rote, ein grüner, ein weisser und ein orangefarbener.
3. Vorbeigehen beim Betrieb und fragen – darunter vier Punkte: drei blaue und ein roter.
4. Bewerbungsschreiben für Schnupperlehre verfassen – darunter sechs Punkte: vier blaue und ein gelber.

Die verschiedenen Farben geben an, wie die Eltern ihre Jugendlichen unterstützen. Blau: enge Begleitung; rot: Hauptverantwortung liegt bei den Eltern; grün: Eltern als Beobachtende, greifen nur bei Bedarf ein; orange: emotionale Unterstützung; gelb: externe Unterstützung; weiss: Hauptverantwortung liegt bei den Jugendlichen

Entscheiden und Realisieren

Beim dritten Treffen wurden die Erfahrungen aus den Schnupperlehren an den Familientischen ausgewertet und die nächsten Schritte besprochen. Anschliessend gingen die Jugendlichen von Familie zu Familie und spielten zwei Szenarien durch: Im ersten stellten sich die Jugendlichen vor, dass sie ihrer Patin oder ihrem Paten über den Stand der Berufswahl berichten. Bei der zweiten Variante simulierten die ‹fremden› Eltern ein Bewerbungsgespräch. In der Peer-Runde diskutierten die Eltern offene Fragen, unter anderem zur Invalidenversicherung. Die Jugendlichen pflanzten als Sinnbild für die kommende Phase eine Pflanze in einen Topf.

Überdenken und Neuorientieren

Das vierte Treffen startete mit einem Rückblick auf die letzten beiden Jahre. Bei manchen ging es darum, Enttäuschungen zu verarbeiten, wenn ihr angestrebtes Berufsziel vorerst nicht erreichbar war. In der Peer-Runde der Eltern wurden verschiedene Alternativen für Zwischenlösungen und Brückenangebote geprüft und im Anschluss innerhalb der Familie diskutiert. In der Peer-Gruppe der Jugendlichen wurde der bisherige Prozess visualisiert und sowohl in der Gruppe als auch abschliessend in der Familienrunde gewürdigt.

Zwischenfazit und Bedarfsanalyse

Jeweils im Anschluss an die Treffen wurden die Eltern per Mail um ihre Einschätzungen zu verschiedenen Fragen gebeten. Ihre Rückmeldungen waren überwiegend positiv: Sie schätzten die Informationen und den Austausch untereinander. Ziel von Flügge war es, die Eltern zu einer aktiven Rolle zu ermuntern, einen Rahmen für Gespräche in der Familie neben dem Alltag anzubieten und die Familien in einen Austausch zu bringen. Diese Ziele, die das Projekt gegenüber herkömmlichen Vorgehensweisen besonders auszeichnen, wurden erreicht: An den Familientischen wurde angeregt ausgetauscht und bei einigen wurde das Gespräch im Alltag weitergeführt, wie das folgende Zitat eines Vaters veranschaulicht:

«Flügge» hat den Veränderungsprozess in unserer Familie gefördert, sodass Berufswahl und Bewerbungen zu einer alltäglichen Sache geworden sind. Es ist kein Thema mehr, vor dem man sich fürchten muss. Wie man sich in einem Bewerbungsgespräch verhält oder kleidet, welcher Beruf Spass machen könnte etc. ist zum Gespräch am Esstisch geworden.

Besonders positiv erlebt wurde auch die Vernetzung zwischen den Familien. In den Peer-Runden der Eltern berichteten diese offen über Sorgen und Hoffnungen. Der Austausch zwischen den Familien verstärkte die gegenseitige Verbundenheit. Auch die Wechsel zwischen Familien- und Peerrunden bewährten sich.

In der Tendenz etwas kritischer waren die Rückmeldungen der Jugendlichen. Viele Themen behandelten sie bereits in der Schule und der Zusatzaufwand war für sie teilweise nicht nachvollziehbar. Die Entwicklungen der Jugendlichen in dieser Zeit wurden mittels eines Fragebogens vor und nach Flügge erfasst. Die Ergebnisse zeigen, dass die Unsicherheit mit dem Näherkommen des Schulabschlusses teilweise auch grösser wird.

Zu Beginn von Flügge waren die Ausgangssituationen der Jugendlichen und ihren Familien sehr unterschiedlich. Im Verlauf von Flügge wurden diese Unterschiede noch stärker, wodurch ein Angebot im Gruppensetting, das den verschiedenen Bedürfnissen gerecht wird, anspruchsvoll ist.

Eine weitere Schwierigkeit ist es, gerade diejenigen Eltern zu erreichen, die sich überfordert fühlen und denen das Wissen zum Thema Berufswahl fehlt. Dies zeigte sich bei weiteren Durchführungen von Flügge sowohl im sonderschulischen als auch im integrativen Setting. Um besser einschätzen zu können, wie die Zielgruppenerreichung verbessert werden könnte, wurden 30 Schulische Heilpädagog:innen (Studierende der HfH) online zur Elternzusammenarbeit befragt. Zudem wurde ihre Einschätzung von Flügge eingeholt. Die Befragten sahen einen Mehrwert von Flügge zusätzlich zu ihren schulischen Aktivitäten, begrüssten den Einsatz externer Fachpersonen sowie die Möglichkeit der Eltern, sich besser untereinander zu vernetzen. Es wurde jedoch bezweifelt, ob fremdsprachige Eltern so erreicht werden können, und der Aufwand mit vier verbindlichen Treffen erschien hoch. Entsprechend befürworteten sie die Version Flügge light mit stärkerem Einbezug der Schule. Denn die Schulischen Heilpädagog:innen (Auswahl nicht repräsentativ) sehen sich in der Verantwortung und möchten diese Aufgaben nicht einfach delegieren.

Adaptierte Varianten von «Flügge»

Aufgrund der ersten Erfahrungen mit der Pilotversion Flügge wurden drei weitere Varianten entwickelt, im integrativen Setting durchgeführt und mittels standardisierter Fragebögen evaluiert.

  1. Für die erste Variante Flügge integrativ-intensiv wurden Eltern – insbesondere auch mit Zuwanderungsgeschichte – gezielt angesprochen. Kulturdolmetscherinnen erleichterten bei den drei Treffen die Partizipation von fremdsprachigen Eltern. Die Themen und die Organisation stiessen bei den Teilnehmenden auch bei dieser Durchführung auf Wohlwollen. Allerdings war die Vernetzung der Eltern untereinander etwas weniger erfolgreich, aufgrund der sprachlichen Barrieren.
  2. Die zweite Variante, Flügge light, richtete sich an ganze Klassen und ihre Eltern im integrativen Setting. Flügge light wurde zwei Mal durchgeführt. Das Angebot war an ein bereits bestehendes obligatorisches Angebot der Schule gekoppelt und bestand aus je nur zwei Treffen. Die Verantwortung lag damit stärker bei den Schulen. Das Flügge-Team war zu Gast, vertrat mit Inputs eine fachliche Aussensicht und unterstützte bei der Moderation der Anlässe. Auf diesem Weg konnten mehr Eltern erreicht werden. Die Rückmeldungen vonseiten der Eltern und Jugendlichen waren mehrheitlich positiv. Die Gruppen waren jedoch heterogener und damit auch die Bedürfnisse (z. B. in Bezug auf Informationen zur IV). In der grossen Gruppe war ausserdem ein vergleichbar offener Austausch unter den Eltern nur bedingt möglich.
  3. Die dritte Variante, Flügge Multiplikator, diente dazu, Schulische Heilpädagog:innen und Lehrpersonen im Rahmen eines halbtägigen Kurses zu ermutigen und zu befähigen, ihre Zusammenarbeit mit den Eltern in der Berufswahlphase zu optimieren. Das Programm von Flügge wurde dabei als Anregung vermittelt. Eine Pilotdurchführung fand zwei Mal im Rahmen eines Wahlpflichtmoduls zum Thema berufliche Inklusion statt und wurde ein weiteres Mal von einer Schule als Weiterbildungsangebot gebucht.

Schlussfolgerungen

Am Ende der Pilotphase stellt sich die Frage, wie Flügge in diesen oder ähnlichen Formen die Elternzusammenarbeit bereichern kann und was noch zu optimieren wäre. Die Erfahrungen zeigen, dass es eine Gratwanderung ist, eine möglichst grosse Zielgruppe zu erreichen und gleichzeitig eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema zu ermöglichen.

Bei den Varianten Flügge integrativ-intensiv und Flügge light war es sehr aufwendig, die Familien zur Teilnahme zu motivieren. Da bei Flügge light auch Lehrpersonen und Schulische Heilpädagog:innen stärker involviert waren, war das Angebot für sie weniger entlastend als eigentlich geplant. Gleichzeitig bestätigen die Evaluationsergebnisse, dass ein solches Projekt alle Familien weiterbringen kann und so einen Mehrwert bietet im Vergleich zu anderen Angeboten. Selbst wenn vor allem bereits engagierte Eltern profitierten, haben auch sie viele Fragen und Sorgen geäussert, die in einem solchen Rahmen aufgefangen werden konnten. Auch fremdsprachige Eltern konnten mithilfe von Kulturdolmetscherinnen und Übersetzer:innen vom Angebot profitieren.

In beiden Durchführungen von Flügge light gelang es besser, die Zielgruppe zu erreichen, weil das Angebot enger ins Schulprogramm eingebettet war. Das ist nicht nur für die Zielgruppenerreichung wichtig, sondern auch sinnvoll, weil die Ergebnisse so stärker in die schulische Arbeit mit den Jugendlichen einfliessen. Es zeigte sich bei beiden Durchführungen aber auch, dass einige thematische Abstriche nötig waren. Zudem hängt die Offenheit der Teilnehmenden davon ab, ob die Gruppe übersichtlich ist und ob sie sich mit der Zeit kennen.

Die Rückmeldungen der Jugendlichen waren zwar insgesamt positiv, jedoch bei allen Durchführungen etwas kritischer als diejenigen der Eltern. Sie schätzten den Austausch innerhalb der Familie und die Diskussion mit ehemaligen Schüler:innen. Kritisch sehen sie hingegen, ob Flügge ihnen beim Vorankommen mit der eigenen Berufswahl tatsächlich weiterhalf. Es ist auch nachvollziehbar, dass sie eher Überschneidungen mit Themen wahrnehmen, die sie bereits in der Schule behandelt haben. Daraus ergibt sich die Frage, ob sich Flügge in angepasster Form ausschliesslich an die Eltern richten könnte. Allerdings würde damit der systemische Ansatz verloren gehen, der in diesem Fall darin besteht, das Gespräch innerhalb der Familien vor Ort anzuregen.

Abschliessend hat die Pilotphase gezeigt, dass es verschiedene Varianten für unterschiedliche Bedürfnisse braucht. Dabei spielen die Schulischen Heilpädagog:innen eine zentrale Rolle, die als Verantwortliche vor Ort die Situation am besten kennen, Elemente von Flügge übernehmen und sich bei Bedarf von Flügge-Fachpersonen begleiten lassen können. Diese künftigen Erfahrungen in der Praxis werden hoffentlich dazu beitragen, das Angebot weiter zu optimieren.

Dr. phil Claudia Hofmann
Senior Researcher

Interkantonale Hochschule für
Heilpädagogik, Zürich

claudia.hofmann@hfh.ch

Susanne Dätwyler
Heilpädagogin/Berufswahlcoach

Stiftung zeka, Baden

susanne.daetwyler@stiftung-zeka.ch

Literatur

Fullarton, S. & Duquette, C. A. (2015). The transition process for adolescents with learning disabilities: Perspectives of five families. Exceptionality Education International, 25 (2), 84–106.

Hofmann, C. & Schellenberg, C. (2015). Die Rolle der Eltern bei der beruflichen Integration. Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, 21 (11–12), 6–13.

Hofmann, C. & Schellenberg, C. (2019). Der Übergang Schule – (Aus-)Bildung – Beschäftigung in der Schweiz. Ein Überblick mit Fokus auf die berufliche Ausbildung. In C. Lindmeier, H. Fasching, B. Lindmeier & D. Sponholz (Hrsg.), Inklusive Berufsorientierung und berufliche Bildung – Aktuelle Entwicklungen im deutschsprachigen Raum (1. Aufl., S. 194–219). 2. Beiheft Sonderpädagogische Förderung heute. Beltz.

Scharenberg, K., Rudin, M., Müller, B., Meyer, T. & Hupka-Brunner, S. (2014). Ausbildungsverläufe von der obligatorischen Schule ins junge Erwachsenenalter. Die ersten zehn Jahre. Ergebnisübersicht der Schweizer Längsschnittstudie TREE, Teil I. TREE.

  1. Die Stiftung zeka ist eine Sonderschule für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und/oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie psychosozialen und emotionalen Herausforderungen.