Fortschritt und Verantwortung – Mut zum reflektierten Umgang mit KI in der Bildung

Thomas Wetter

DOI: https://doi.org/10.57161/z2025-08-00

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 31, 08/2025

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Wo stehen wir heute im Umgang mit den neuen Technologien im Bildungsbereich? Gelingt es uns, diese in der Bildung sinnvoll einzusetzen? Helfen sie uns, Vielfalt und Teilhabe zu fördern?

In der Schule kann die barrierefreie Kommunikation durch Künstliche Intelligenz (KI) Lernende mit Behinderungen unterstützen und die Chancen für Teilhabe verbessern. So wird zum Beispiel am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) an einem System geforscht, das Gebärdensprache automatisch in gesprochene Sprache übersetzt oder umgekehrt. Ein anderes Beispiel ist die automatisierte Aufbereitung von Inhalten für verschiedene Zielgruppen: Lernende mit einer kognitiven Beeinträchtigung erhalten die Texte in einfacher oder Leichter Sprache und dadurch Zugang zu Informationen.

Eine Unterrichtsmethode, die ebenfalls von dem Einsatz von KI profitiert, sind adaptive Lernumgebungen. Das Unterrichtsangebot wird von KI-basierten Tools an die individuellen Lernvoraussetzungen der Schüler:innen angepasst. Durch kontinuierliches Sammeln von Daten und eine fortlaufende Analyse des Lernfortschritts erhalten die Lernenden Aufgaben, die auf ihren Lernstand zugeschnitten sind. Gerade dieses Beispiel zeigt die positiven Aspekte von KI.

In diesem Zusammenhang besteht jedoch auch die Gefahr der «Individualisierungsfalle», wie es Burow (1999) im gleichnamigen Buch beschreibt. Denn Schüler:innen lernen nicht nur einzeln für sich, sondern auch im fachlichen Austausch in inklusiven Lerngruppen gemeinsam mit ihren Mitschüler:innen.

Weitere negative Aspekte, die wir nicht vergessen dürfen, betreffen den Datenschutz. KI-Systeme sammeln viele sensible Daten, von denen wir nicht wissen, ob sie vertraulich behandelt oder an Dritte weitergegeben werden.

Trotz der vielen Fortschritte sollten wir KI also nicht überbewerten oder idealisieren. Künstliche Intelligenz ist im Wesentlichen eine Art ‹Wahrscheinlichkeitsmaschine›: Sie setzt Wörter und Sätze aneinander, basierend darauf, wie wahrscheinlich sie in einer bestimmten Situation sind. Im Grunde kann KI nichts ‹Eigenes› denken oder echte Ideen entwickeln. Der Ethikprofessor Peter G. Kirchschläger hat dafür in einem Podcast ein treffendes Bild gefunden. Er sagt: «Bei ChatGPT sehe ich vor mir eine wiederkäuende Kuh. Weil ChatGPT Sprache, Wortschöpfungen, Formulierungen und Gedanken, die schon einmal gedacht worden sind, wiederkäut und ausspuckt.»

Schon Heinrich Pestalozzi (1746–1827) meinte: «Mut, das ist ganz sicher, gehört am notwendigsten von allen menschlichen Eigenschaften zum Glück.» Es braucht also Mut, etwas auszuprobieren, aber auch Mut, die technologischen Entwicklungen zu hinterfragen, und nicht zuletzt Mut zur Entschleunigung.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine entschleunigende Lektüre und viele Anregungen für Ihren beruflichen Alltag.

Thomas Wetter

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

SZH/CSPS

thomas.wetter@szh.ch